Nach der jüngsten Flüchtlingstragödie im Mittelmeer haben Rettungskräfte am Freitag 62 Tote geborgen. Retter vom Roten Halbmond hätten seit Donnerstagabend 62 Leichen von Migranten aus dem Wasser geholt, sagte ein Vertreter der Hilfsorganisation, Abdelmoneim Abu Sbeih, am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. Hilfsorganisationen befürchteten aber mehr als hundert Tote.

Das Holzboot war am Donnerstag vor der Küste der libyschen Stadt Choms gesunken. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) befürchtete mehr als 110 Tote. Die libysche Küstenwache sprach von 115 Vermissten; nach ihren Angaben wurden 145 der Schiffbrüchigen gerettet. Allerdings war weiter unklar, wie viele Menschen insgesamt an Bord waren.

Zuvor hatte das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mitgeteilt, dass bei dem Unglück womöglich 150 Menschen ums Leben gekommen seien. Es wäre das schwerste Bootsunglück im Mittelmeer des laufenden Jahres.

Insgesamt seien 250 Menschen an Bord des Holzboots gewesen, sagte Marinesprecher Ajub Kassim der Deutschen Presse-Agentur. Die Küstenwache habe zusammen mit einigen Fischern 134 Migranten aus verschiedenen afrikanischen und arabischen Ländern gerettet. Nach UN-Angaben startete das Boot die Überfahrt vom Küstenort Al-Chums.

Keine Seenotrettung

Derzeit sind keine privaten Rettungsschiffe im Mittelmeer unterwegs. Die deutsche Organisation Sea-Eye kündigte allerdings am Donnerstag an, mit der "Alan Kurdi" in Richtung der Rettungszone vor der libyschen Küste aufzubrechen. Dort werde sie voraussichtlich Dienstag eintreffen, erklärte die Regensburger Organisation. Innerhalb der Europäischen Union läuft ein Streit darüber, wie Migranten verteilt werden sollen, die im Mittelmeer gerettet werden.

Das Mittelmeer gehört zu den gefährlichsten Fluchtrouten für Menschen, die nach Europa kommen wollen. Beim Versuch, es zu überqueren, kamen dieses Jahr nach IOM-Angaben bereits mehr als 680 Menschen ums Leben. Mehr als 3.700 seien aufgegriffen und in Internierungslager in Libyen gebracht worden. Der nordafrikanische Staat ist ein Transitland für Tausende von Migranten