Im New Yorker Mammutprozess gegen den mexikanischen Drogenboss Joaquin "El Chapo" Guzman wird am Mittwoch (ab 15.15 Uhr MESZ) das Strafmaß verkündet. Der 62-jährige langjährige Chef des berüchtigten Sinaloa-Kartells war bereits im Februar in sämtlichen Anklagepunkten schuldig gesprochen worden, darunter wegen Drogenschmuggels in großem Stil, Waffenhandels und Geldwäsche.

Ihm droht neben lebenslanger Haft eine Geldstrafe in Milliardenhöhe. Guzman galt als der mächtigste Drogenbaron seit dem Kolumbianer Pablo Escobar. Für Schlagzeilen sorgte er vor allem durch zwei spektakuläre Gefängnisausbrüche. Ein halbes Jahr nach seinem letzten Ausbruch im Juli 2015 wurde er in seinem Heimat-Bundesstaat Sinaloa festgenommen und ein Jahr später an die USA ausgeliefert. Dort begann im November das Mammut-Verfahren.

Gefängnis für immer

Der mächtigste Drogenbaron der Welt war er einst, doch "El Chapo" hat all seine Macht verloren und wird voraussichtlich bis zu seinem Tod in einem US-Gefängnis sitzen.

Er hatte die Vereinigten Staaten jahrzehntelang mit Heroin, Kokain, Methamphetaminen und Marihuana überschwemmt. Sein damit erworbenes sagenhaftes Vermögen spektakuläre Gefängnisausbrüche und Mordaufträge, die in die Tausenden gehen sollen, mehrten seinen zweifelhaften Ruhm.

"El Chapo" war im Februar nach einem dreimonatigen Mammut-Verfahren schuldig gesprochen worden. Vergangene Woche argumentierte die New Yorker Staatsanwaltschaft, der Mexikaner sei 25 Jahre lang ein "erbarmungsloser und blutrünstiger Anführer des Sinaloa-Kartells" gewesen und verdiene daher lebenslange Haft plus 30 weitere Jahre Gefängnis. Sehr wahrscheinlich wird das Gericht am Mittwoch dieser Einschätzung folgen.

Gefasst und ausgeliefert

Seit "El Chapo" Anfang 2016 in Mexiko gefasst und an die USA ausgeliefert wurde, hat er deutlich an Gewicht verloren. Die Bedingungen der Einzelhaft setzen ihm sichtbar zu. 23 Stunden am Tag verbringt Guzman in Einzelhaft. Er darf seine Anwälte und seine Zwillingstöchter, aber nicht einmal seine Frau Emma Coronel sehen.

Für Guzman ist es ein tiefer Fall. Unter seiner Führung hatte sich das Sinaloa-Kartell wie eine Krake ausgebreitet, deren Tentakel bis nach Europa und Asien reichten. "Ich liefere mehr Heroin, Methamphetamin, Kokain und Marihuana als irgendwer sonst in der Welt", brüstete sich der Drogen-König in einem im Oktober 2015 heimlich geführten Interview mit dem US-Filmstar Sean Penn. "Ich habe eine Flotte U-Boote, Flugzeuge, Lastwagen und Boote."

Drogenanbau mit 15

Dabei hat der Mexikaner ganz klein angefangen: Nach seiner Geburt am 4. April 1957 in Badiraguato besserte er als Kind das spärliche Einkommen seiner Familie zunächst mit dem Verkauf von Bonbons, Orangen und Limonade auf. Als 15-Jähriger entdeckte er den Drogenanbau als weitaus lukrativere Einnahmequelle. Dies sei wegen fehlender Job-Perspektiven die einzige Möglichkeit gewesen, "Essen zu kaufen, zu überleben", sagte Guzman in dem Interview mit Penn.

Schließlich ließ sich Guzman, der wegen seiner geringen Körpergröße den Spitznamen "El Chapo" - "Der Kurze" bekam, vom Chef des Guadalajara-Kartells, Miguel Angel Felix Gallardo, rekrutieren. Nach Gallardos Festnahme 1989 gründete "El Chapo" sein eigenes Kartell und baute dies binnen weniger Jahre zu einem international agierenden Imperium aus.

Image eines Robin Hood

Während Guzman in seiner Heimat das Image eines Robin Hood pflegte, der die Armen unterstützt, führte sein Kartell einen blutigen Kampf mit Konkurrenten. Dabei ließ Guzman andere die brutalen Jobs - unter anderem ungezählte Morde - erledigen, auf denen sich sein Millionenvermögen gründete.

Er schaffte es auf diese Weise in die "Forbes"-Liste der Superreichen. Im Jahr 2013 flog er jedoch wieder raus - zu viel seines Geldes musste er für seinen eigenen Schutz ausgeben.

Schließlich brachte der Erfolg "El Chapo" viele Gegner ein. Bei einer Schießerei am Flughafen von Guadalajara wurde 1993 der Erzbischof der Stadt, Kardinal Juan Jesus Posadas Ocampo, getötet, weil sein Wagen offenbar mit dem von Guzman verwechselt worden war.

Im selben Jahr wurde Guzman in Mexiko erstmals festgenommen. Doch auch sein Leben als Häftling lieferte Stoff für Romane. Nach seinem Gefängnisausbruch 2001 und 13 Jahren auf der Flucht wurde er im Februar 2014 gefasst und ins Hochsicherheitsgefängnis Altiplano nahe Mexiko-Stadt gesperrt.

Von dort entkam er im Juli 2015 in einer filmreifen Aktion durch einen Tunnel, der sogar mit Schienen ausgerüstet war. Im Jänner 2016 wurde Guzman in seinem Heimat-Bundesstaat Sinaloa erneut festgenommen, ein Jahr später erfolgte seine Auslieferung an die USA. Nun droht "El Chapo", dass er dort sein Leben in einem Hochsicherheitsgefängnis beschließt.