"Natürlich hatte sie Angst“, sagt Giorgina Linardi von der NGO „Sea Watch“ über ihre nun prominente Kapitänin, als diese vor einer Woche von der italienischen Polizei festgenommen wurde. Mit stoischer Mine ließ sich Carola Rackete von Bord ihres Schiffes, der „Sea Watch 3“, bringen. Linardi betont: „Sie hat alles aufs Spiel gesetzt, um diese Leute in Sicherheit zu bringen.“ Die Konsequenzen ihres Handelns waren ihr bewusst, als die 31 Jahre alte Deutsche ohne Erlaubnis mit ihrem Schiff in den Hafen von Lampedusa einlief, um ihre Passagiere, 40 Flüchtlinge aus Afrika, auf europäisches Festland zu bringen.

Mittlerweile, nach einigen Tagen staatlich verordnetem Hausarrest, ist die Kapitänin mit den schwarzen Dreadlocks wieder auf freiem Fuß – und an einem geheimen Ort in Italien. Sie habe Drohungen erhalten von Leuten, die mit ihrem Verhalten gar nicht einverstanden sind, heißt es bei „Sea Watch“.

Als sie die Migranten an Bord holte, habe sie Internationales Seerecht befolgt, sagen die einen. Indem sie Italien anlief, habe sie gegen italienisches Recht verstoßen, die anderen. Vom Widerstand gegen die Staatsgewalt wurde sie inzwischen freigesprochen, aber die Ermittlungen wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung laufen noch. Ihr medialer und politischer Intimfeind, der rechte italienische Innenminister Matteo Salvini mit dem Spitznamen „Il Capitano“ („Der Kapitän“) zeigte sich schwer enttäuscht und möchte Rackete am liebsten hinter Gittern sehen.

Stolz auf die starke Tochter

Für Carolas Vater Ekkehart Rackete scheint das alles kein Grund zur Sorge zu sein. „Sie ist jemand, der sich ziemlich genau überlegt, was er tut und will und nicht tut und nicht will“, sagt der ehemalige Oberstleutnant der Bundeswehr vor deutschen Medien. Er bezeichnet seine Tochter als analytisch und abwägend – was nicht bedeute, dass sie kalt sei. Zugleich habe sie niemals eine „sozialrevolutionäre Ader“ gehabt.

Ihre Kindheit hat Carola in Hambühren in Niedersachsen verbracht. Später hat sie Nautik in Eslfleth und Conservation Management in England studiert. Bevor sie 2016 zu Sea-Watch ging, war sie unter anderem auf einem Forschungsschiff von Greenpeace unterwegs und für das Alfred-Wegener-Institut für Meeresforschung im Einsatz. Auch privat ist sie viel herum gekommen, war in China, Pakistan und Amerika unterwegs – oft alleine. „Es ist ihr unangenehm, im Mittelpunkt zu stehen“, erzählt ihr Vater. Ihre Kollegen beschreiben sie als ruhig und nervenstark. Angesichts einer drohenden langjährigen Haftstrafe muss sie das auch sein.

Vater Ekkehard jedenfalls ist stolz: „Sie weiß, was sie tut, sie ist eine starke Frau.“ Im Hinblick auf die Ermittlungen sagt er nur: „Ich vertraue der italienischen Justiz.“