Es gebe "glaubwürdige Hinweise", die es rechtfertigten, die Verantwortung hochrangiger saudi-arabischer Vertreter, einschließlich des Kronprinzen Mohammed bin Salman, in dem Mordfall zu überprüfen, erklärte UNO-Sonderberichterstatterin Agnes Callamard am Mittwoch in Genf.

Die Sonderberichterstatterin für außergerichtliche Exekutionen forderte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres auf, eine solche internationale Untersuchung einzuleiten. Sie empfahl außerdem "gezielte Sanktionen" gegen den Kronprinzen. Auch die US-Bundespolizei FBI rief sie zu Ermittlungen in dem Mordfall auf.

Saudi-Arabien wies den UNO-Bericht als unglaubwürdig zurück. Der Bericht enthalte klare Widersprüche und haltlose Anschuldigungen, erklärte der saudische Staatsminister für Auswärtiges, Adel al-Jubeir, am Mittwoch über Twitter. Saudi-Arabien lehne alle Versuche ab, seine Souveränität anzutasten. Allein die saudische Justiz sei für den Fall zuständig. Diese arbeite völlig unabhängig.

UN-Generalsekretär Guterres hat nach eigener Einschätzung nicht die Autorität, eine Untersuchung gegen den saudischen Kronprinzen einzuleiten. Sein Sprecher Stephane Dujarric sagte vor Journalisten in New York, Guterres halte eine "umfassende, transparente Untersuchung" für notwendig, sehe sich aber nicht befugt, eine solche in Auftrag zu geben.

Der "Washington Post"-Kolumnist Khashoggi, der zahlreiche kritische Artikel über das Königshaus in Riad veröffentlicht hatte, war am 2. Oktober 2018 bei einem Besuch im Istanbuler Konsulat Saudi-Arabiens ermordet worden. Khashoggi lebte in den USA im Exil.

Viele Fragen in dem Fall sind weiter ungeklärt, etwa die Rolle von Kronprinz Mohammed. Der US-Senat machte den Thronfolger auf Grundlage von Geheimdiensterkenntnissen für Khashoggis Tod verantwortlich.

Die türkische Verlobte Khashoggis begrüßte den Bericht Callamards zu den Hintergründen der Tat. In einem Tweet schrieb die Journalistin Hatice Cengiz: "Der Aufruf der UNO-Sonderberichterstatterin, gegen MBS wegen des Mordes an meinem geliebten Jamal zu ermitteln, ist eine willkommene Entwicklung." MBS steht für den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Jetzt müsste die UNO der Empfehlung folgen, forderte Cengiz. "Der Gerechtigkeit muss gedient und die Wahrheit enthüllt werden."

In ihrem Bericht zu dem Mordfall erklärt Callamard, sie habe Belege dafür gefunden, dass "sich Khashoggi der Macht des Kronprinzen in vollem Umfang bewusst war und er sich vor ihm fürchtete". Sie hob hervor, dass ihr Bericht nicht die Schuldfrage kläre, sondern lediglich Hinweise vorlege, die Anlass zu einer "weiteren Überprüfung durch eine angemessene Instanz" geben.

Die bisher von Saudi-Arabien und der Türkei geführten Ermittlungen entsprächen nicht den internationalen Standards, erklärte Callamard. UNO-Sonderberichterstatter arbeiten unabhängig und sprechen nicht im Namen der UNO.

15 saudi-arabische Agenten namentlich genannt

In ihrem Bericht nennt Callamard die Namen von 15 saudi-arabischen Agenten, die Teil des Einsatzkommandos zur Ermordung Khashoggis gewesen sein sollen. Der Bericht legt nahe, dass mehrere dieser Agenten nicht zu den elf Verdächtigen gehören, die in Saudi-Arabien wegen der Ermordung Khashoggis vor Gericht stehen.

Riad hatte nach wochenlangen Dementis unter internationalem Druck zugegeben, dass der Regierungskritiker von saudi-arabischen Agenten getötet worden war. Die Führung des Königreichs spricht aber von einem aus dem Ruder gelaufenen Einsatz zur Festnahme des Journalisten. Die USA hatten wegen der Ermordung Khashoggis in den vergangenen Monaten Einreisesperren gegen Dutzende saudi-arabische Bürger verhängt, die mutmaßlich an dem Verbrechen beteiligt gewesen sein sollen.

Die türkische Regierung unterstützt die Empfehlung der UNO-Menschenrechtsexpertin, weitere Ermittlungen gegen bin Salman in die Wege zu leiten. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu zitierte am Mittwoch Außenminister Mevlüt Cavusoglu mit den Worten: "Wir unterstützen inständig die UNO-Empfehlung, den Mord an Khashoggi aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen."