In Frankreich sind Menschen, die Flüchtlingen helfen, zunehmend auch mit Polizeigewalt konfrontiert. Dies zeigt ein am Mittwoch veröffentlichter Bericht von Amnesty International. In den Regionen Calais und Grande-Synthe berichten Personen, die Essen oder Schlafsäcke an Migranten verteilen, von schikanösen Kontrollen und Überwachungsaktionen, Festnahmen und Schlägen.

"Kalkulierte Strategie"

Laut der Menschenrechtsorganisation handelt es sich dabei um eine "kalkulierte Strategie, um Solidarität mit Geflüchteten zu unterbinden". Der Bericht bezieht sich auf jene Regionen am Ärmelkanal, wo im Zuge der Flüchtlingskrise tausende Migranten campierten, die nach Großbritannien gelangen wollten. Zweieinhalb Jahre nach dem Abriss des sogenannten "Dschungels" halten sich aber immer noch 1.200 Migranten in Zelten und inoffiziellen Lagern auf.

Weil die Migranten keinen regelmäßigen Zugang zu Lebensmitteln, Wassern, Sanitäranlagen und Unterkünften haben, versuchen Einheimische ihnen zu helfen. Sie geraten dabei aber selbst ins Visier der Polizei. So berichtete eine Frau, dass sie beim Essensverteilen von Polizeibeamten umzingelt worden sei. Eine andere Frau, die Migranten in ihrer Garage etwa Handys aufladen ließ, habe "zwei bis drei Mal pro Woche" Besuch von bewaffneten Polizisten erhalten, die Fotos machten.

Drei Britinnen seien von der Polizei stundenlang festgehalten worden, nur weil sie Migranten mit Lebensnotwendigkeiten versorgen wollten. "Weil ihr Ausländer seid", lautete die Antwort auf die Frage, warum sie auf die Polizeistation mitkommen sollten. Eine Flüchtlingshelferin wurde von Polizisten mit Gewalt auf den Boden gedrückt, weil sie eine Polizeijagd auf mehrere Migranten filmte. Zuvor hatten Flüchtlingshelfer bereits über Schikanen wie Strafzettel für Falschparken, wiederholte Ausweiskontrollen, Beschimpfungen und Drohungen berichtet.

Polizeimisshandlungen

72 Fälle von Polizeimisshandlungen sind seit Jahresbeginn bekannt, "aber die tatsächliche Zahl dürfte viel höher sein", heißt es in dem Bericht, in dem insbesondere die mangelnden Konsequenzen bei Anzeigen gegen Polizeibeamte kritisiert werden. "Es ist Zeit, jetzt auch einmal die (Menschenrechts-)Verteidiger zu verteidigen", betont Amnesty-Expertin Lisa Maracani. "Statt Menschenrechtsverteidiger als Feinde zu betrachten, sollten die Behörden in ihnen wichtige Verbündete sehen und ihre Akte der Solidarität und des Mitgefühls hochhalten statt sie zu kriminalisieren."

Die Flüchtlingshelfer fühlen sich laut dem Bericht hin- und hergerissen zwischen der Not der Migranten, denen sie helfen wollen, und der Einschüchterung durch die Behörden, die Hilfsaktionen als Straftaten einstufen. Es gebe auch Probleme, neue Freiwillige zu rekrutieren. Die Helfer seien aber entschlossen, ihre Arbeit fortzusetzen. Eine Helferin sagte Amnesty, dass sie "dankbar" sei für die Anwesenheit von Migranten in der Region. "Sie haben uns menschlicher werden lassen, sie haben unser Leben bereichert."