Im Fall der mehr als sechs Jahre lang verschwundenen JugendlichenMaria H. hat am Mittwoch in Freiburg der Prozess gegen einen 58-Jährigen begonnen. Zum Auftakt sagte der Angeklagte öffentlich zu seiner Person aus. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Kindesentziehung und schweren sexuellen Missbrauch in 108 Fällen vor.

Laut Anklage sind auch die formalen juristischen Voraussetzungen für eine mögliche Sicherungsverwahrung gegeben. Bernhard H. berichtete vor Gericht von einer prekären Kindheit, die von Gewalt und Isolation geprägt gewesen sei. Nach verschiedenen Ausbildungen und einer kurzen Phase der Obdachlosigkeit gelang es ihm nach eigenen Angaben Mitte der 1980er-Jahre, ein wenig Fuß zu fassen. Doch sein Privatleben verlief insgesamt unglücklich.

In Internetchat kennengelernt

Marias jahrelanges Verschwinden sorgte für Aufsehen: Laut Anklage lernte Bernhard H. 2012 die heute 19-Jährige in einem Internetchat kennen. Der 40 Jahre ältere Mann tauschte mit der Minderjährigen bald pornografische Bilder aus. Nach mehreren Treffen in Freiburger Hotels, bei denen es zu ersten sexuellen Übergriffen kam, sollen die beiden beschlossen haben, im Mai 2013 das Land zu verlassen und unterzutauchen.

Zu diesem Zeitpunkt lag bereits eine Anzeige der Ehefrau von H. vor, die den Kontakt zu der Minderjährigen bemerkt hatte. Eine Warnung der örtlichen Polizei stärkte bei H. offenbar den Entschluss zur Flucht. Zunächst fuhr er mit dem Mädchen im Auto nach Polen, von dort mit Fahrrädern und Campingausrüstung durch Slowenien und Ungarn nach Italien und bis nach Sizilien. In dieser Zeit sei es immer wieder zu sexuellen Kontakten gekommen.

Ab Marias 15. Geburtstag gab es laut Anklage keine Übergriffe mehr. Das Paar gab sich als Vater und Tochter aus und schlug sich mit Gelegenheitstätigkeiten durch. Während der gesamten Zeit besuchte Maria keine Schule. Laut Anklage enthielt Bernhard H. dem Mädchen auch notwendige Medikamente gegen eine Schilddrüsenerkrankung vor. Erst im Herbst vergangenen Jahres kehrte Maria nach ihrem 18. Geburtstag überraschend zu ihrer Mutter zurück.

Zum Auftakt des Prozesses, in dem Maria H. als Nebenklägerin auftritt, sah sie den Angeklagten zum ersten Mal wieder. Dieser sagte mit Blick auf seine Zukunft: "Ich weiß ja nicht, wie es mit Maria und mir weiter geht, aber meine Arme werden immer offen sein." Die weitere Vernehmung des Angeklagten zu den Vorwürfen fand auf Antrag der Verteidigung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Für den Prozess sind Termine bis Ende Juni angesetzt.