1. Wovor warnt der UNO-Bericht zum Zustand der Artenvielfalt?

Die Zahlen machen Angst: Von den etwa acht Millionen Tier- und Pflanzenarten auf der Welt ist rund eine Million in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vom Aussterben bedroht. Es ist eine der zentralen von vielen düsteren Botschaften, die sich im 1800 Seiten starken Bericht des Weltbiodiversitätsrats (IPBES), einer UN-Organisation, finden. Drei Jahre lang haben 145 Experten geforscht, Tausende wissenschaftliche Arbeiten ausgewertet und sich die Entwicklung der vergangenen 50 Jahre angeschaut. Gestern wurden die Ergebnisse des ersten Berichts zum Zustand der globalen Tier- und Pflanzenvielfalt schließlich in Paris präsentiert. Es stehe schlimm um die Vielfalt auf dem Planeten, warnt Robert Watson, Vorsitzender des IPBES: „Wir erodieren global die eigentliche Basis unserer Volkswirtschaften, Lebensgrundlagen, Nahrungsmittelsicherheit und Lebensqualität.“ Und die Zerstörung gehe immer schneller voran; die Aussterberate beschleunige sich.

2. Welche Tiere und Landschaften sind bedroht?

Das große Sterben zieht sich vom Great Barrier Reef in Australien bis in den Amazonas-Regenwald, besagt der UN-Bericht: Rund die Hälfte aller Korallenriffe ist seit dem späten 19. Jahrhundert verschwunden, zwischen 2010 und 2015 wurden 32 Millionen Hektar Regenwald abgeholzt, 85 Prozent der Feuchtgebiete existierten im Jahr 2000 nicht mehr. In der Tierwelt trifft es die Größten und die Kleinsten: „Einerseits sind große Säugetiere wie Nashörner oder Tiger betroffen, anderseits beobachten wir auch ein Insektensterben“, sagt Harald Meimberg vom Institut für Integrative Naturschutzforschung an der Uni für Bodenkultur (Boku) in Wien. Unter Wasser geht es ähnlich schlimm zu: Ein Drittel aller Meeressäuger ist dem Bericht zufolge vom Aussterben bedroht; bei den Amphibien sind es mehr als 40 Prozent. „Das alles kann zu einer massiven Verarmung der Artenvielfalt führen“, sagt Thomas Frank, Leiter des Instituts für Zoologie an der Boku.

3. Wer ist schuld am Artensterben?

Kurz gesagt: wir. Es sind Menschen, die den Regenwald abholzen, mit Fangflotten die Ozeane befahren, Pestizide versprühen und mit dem Bau von Autobahnen und Schnellstraßen die Landschaften zerstückeln. „In unseren Breiten ist es der Verlust an naturnahen Lebensräumen etwa durch die Intensivierung der Landwirtschaft oder den Bau von Industrie- und Wohngebieten. Global gesehen ist es die Zerstörung des Regenwalds und das Leerfischen der Meere“, sagt Zoologe Frank. Drei Viertel der Landfläche und zwei Drittel der Meere sind entscheidend durch menschlichen Einfluss verändert worden, heißt es in dem Bericht der Forscher.

4. Wie wirkt sich das auf Mensch und Natur aus?

Uniprofessor Frank vergleicht die Abnahme der Artenvielfalt mit der Abwanderung aus einem Dorf: „Es ist so, als ob zunächst der Friseur verschwinden würde, dann der Bäcker, irgendwann der Arzt. Am Ende können entscheidende Funktionen nicht mehr erfüllt werden.“ In der Natur führt das dazu, dass sich Schädlinge ausbreiten, weil sie niemand mehr frisst, oder Vögel wie Schwalben wiederum keine Nahrung finden, weil die Insekten weg sind. „Wir Menschen werden es spüren, wenn fruchtbare Böden verschwinden und es damit auch weniger Anbauflächen geben wird, die Natur weniger Erholungsräume bietet oder es einen Engpass bei der Honigproduktion gibt, weil zu viele Bienen durch Pestizide sterben.“

5. Was kann gegen das Massensterben getan werden?

Die Autoren hoffen, dass ihr beklemmender Bericht die Politik zum Handeln bringt. Es brauche starke Veränderungen hin zur Nachhaltigkeit: in der Technik, der Wirtschaft, im Konsum. Die Forscher haben die Weltartenschutzkonferenz im Blick, die im kommenden Jahr in China stattfindet. „Es muss aber auch in der Bevölkerung ein Bewusstsein entwickelt werden, wie wichtig Biodiversität, also Artenvielfalt, ist“, sagt Experte Meimberg. Dafür muss wohl noch viel getan werden: Laut einer Eurobarometer-Umfrage wissen nur vier von zehn Europäern, was Biodiversität bedeutet.

Beschleunigung des Artensterbens - Anteil der ausgestorbenen Tierarten seit 1500
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