Der deutsche Kinderarbeitsexperte Benjamin Pütter ermutigt Konsumenten in Europa, sich gegen die Ausbeutung von Kindern weltweit zu engagieren - und wenn es nur im Kleinen ist. "Wenn man etwas bei einem Produkt verändert, kann das einen Flächenbrand auslösen", sagte er im Gespräch mit der APA.

Es bewirke schon etwas, wenn man Händler bei einem bestimmten Produkt - etwa Teppichen, Kleidung, Schuhen oder Natursteinen - frage, ob diese aus Kinderarbeit stammten. "Man soll nicht denken, ich kann da gar nichts machen!" Die Bevölkerung müsse außerdem von den Regierungen fordern, den Unternehmen strengere Vorgaben für faire Lieferketten zu machen, unterstrich der Experte. Selbst Firmen, die sich offiziell gegen Kinderarbeit engagierten, machten oft keine unabhängigen und unangekündigten Kontrollen bei ihren Zulieferern, gab Pütter zu bedenken.

Der evangelische Theologe, der für das deutsche katholische Hilfswerk Die Sternsinger tätig ist, besuchte Wien auf Einladung der Dreikönigsaktion (DKA), des Hilfswerks der Katholischen Jungschar. Er engagiert sich seit vielen Jahren gegen die Ausbeutung von Kindern in Indien etwa in Steinbrüchen oder Teppichknüpfereien. Pütter weist darauf hin, dass bereits rund die Hälfte der in Deutschland verkauften neuen Grabsteine aus Indien stammt: "Will ich, dass meine Oma unter einem Grabstein liegt, an dem das Blut indischer Kinder klebt?"

Kinderarbeit ist nicht gleich Kinderarbeit

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) unterscheidet zwischen "child work" - Hilfstätigkeiten, die die Entwicklung, Ausbildung und die Gesundheit des Kindes nicht beeinträchtigen - und der eigentlichen Kinderarbeit ("child labour"). Diese wird definiert als eine Arbeit, durch die Kinder unter 15 Jahren keine Schule besuchen können, diese abbrechen müssen oder außerhalb des Schulunterrichts noch anstrengenden Tätigkeiten mit langen Arbeitszeiten nachgehen müssen. Dazu gehören weiters Tätigkeiten, die Kindern und Jugendlichen mentale, physische, soziale oder sittliche Schäden zufügen oder wo sie sogar als Sklaven behandelt und ausgebeutet werden.

Pütter hat selbst vielfach an Befreiungsaktionen von Kinderarbeitern in Indien teilgenommen, bei denen in den vergangenen Jahren insgesamt bereits mehr als 600 Kinder aus ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen befreit worden sind. Diese fanden immer in Kooperation mit verschiedenen indischen Behörden und oft unter sehr gefährlichen Umständen statt, wie er schildert. Die Unternehmer schickten nämlich manchmal bewaffnete Banden, um die Kinder wiederum aus der "Gewalt" der Polizei "zu befreien": "Da geht es oft darum, wer mehr Feuerkraft hat."

Der Experte hält es jedoch auch für sehr wichtig, dass diese Kinder nach der Befreiung weiter betreut werden und sich nach und nach wieder in ihre Familie und Dorfgemeinschaft eingliedern können. Oft gehe das damit einher, in den Heimatorten überhaupt einmal eine Schule zu errichten: "Das wirkt dann für fünfzig Kinder präventiv und für drei (ehemalige Kinderarbeiter, Anm.) als Rehabilitation."

Schlüsselrolle für Eltern

Ein wichtiger Schlüssel seien auch die Eltern: "Man darf nicht nur das Kind sehen bei der Kinderarbeit!" warnt Pütter. Erstens müsse man die Möglichkeit für ein höheres Familieneinkommen schaffen, wodurch die Kinder nicht mehr zur Arbeit gezwungen seien, und zweitens müsse man auch die Eltern bilden, etwa in Abendschulen, berichtete er. So erzählte er von Familien, die bisher von der Arbeit in einem Steinbruch lebten, nun aber von einem Unternehmen Teig geliefert bekommen, um Fladenbrote in Heimarbeit zuzubereiten. So hätten die Eltern ein Einkommen aus einer Tätigkeit, die ihre Gesundheit nicht mehr schädigt, und die Kinder könnten in die Schule gehen.

Die DKA startet ab Montag gemeinsam mit "Die Sternsinger" und dem Wiener Verein "Butterfly Rebels" die Kampagne "Kinderarbeit stoppen". Dabei sollen unter anderem politische Entscheidungsträger in Österreich und auf europäischer Ebene zu mehr gesetzlichen Maßnahmen gegen ausbeuterische Kinderarbeit aufgefordert werden.