Die Piloten der abgestürzten Boeing 737 MAX von Ethiopian Airlines hielten sich einem Zeitungsbericht zufolge zunächst an einen Notfallplan bei einer Fehlfunktion des als Absturzursache vermuteten Kontrollsystems MCAS. Das berichtete das "Wall Street Journal" am Mittwoch unter Berufung auf mit dem Vorgang vertraute Quellen.

Die Piloten hätten das System zum automatischen Absenken des Flugzeugs ausgeschaltet und versucht, die Maschine über das Handrad in der Mittelkonsole wieder nach oben zu ziehen. Doch dann hätten sie die Stromzufuhr wieder eingeschaltet, um stattdessen einen Schalter zum üblichen elektrischen Trimmen am Steuerknüppel zu benutzen.

Boeing nimmt keine Stellung

Boeing wollte zur laufenden Untersuchung des Absturzes vom 10. März in Äthiopien keine Stellung nehmen. Es war der zweite Absturz eines solchen neuen Flugzeugmodells kurz nach dem Start. Deshalb ist die Boeing 737 MAX, der Verkaufsschlager des größten Flugzeugherstellers der Welt, seit Mitte März weltweit aus dem Verkehr gezogen worden.

Boeing und die US-Luftfahrtaufsicht FAA stehen in der Kritik, weil das MCAS-System zum automatischen Absenken der Flugzeugnase bei drohendem Strömungsabriss mutmaßlich nicht richtig funktionierte und Piloten nicht darüber aufgeklärt und geschult worden waren. Der erste Bericht zur Absturzursache in Äthiopien sollte diese Woche veröffentlicht werden. Am Mittwoch sei das aber noch nicht geplant, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums in Addis Abeba.

Auch die Ursache des ersten, ähnlichen Unglücks der indonesischen Fluglinie Lion Air von Ende Oktober steht noch nicht endgültig fest. Klar ist aber, dass fehlerhafte Sensordaten an das MCAS eine Rolle spielten.

Anleitung, wie das MCAS abgestellt wird

Boeing hatte nach dem Absturz in Indonesien eine Anleitung herausgegeben, wie das MCAS abgestellt wird. Eine Notfallrichtlinie der US-Behörde FAA folgte. Darin werden die Piloten angehalten, die Stromzufuhr über Schalter in der Mittelkonsole zu unterbrechen und während des gesamten Fluges aus zu lassen. Die FAA hatte schon vor mindestens drei Jahren Bedenken geäußert, dass die Korrekturmöglichkeit über den elektrischen Schalter im Krisenfall zu schwach sei, wie aus einem Zulassungsdokument der europäischen Luftfahrtaufsicht EASA hervorging. Wie die Nachrichtenagentur Reuters außerdem von einem 737-Piloten erfahren hatte, ist der manuelle Eingriff über das seit den 60er-Jahren bei Boeing verbaute Trimmrad nur mit größerem Kraftaufwand möglich.

Boeing will den vermuteten Defekt mit einem Software-Update beheben, das auf die kommenden Wochen verschoben wurde. US-Pilotenverbände hatten gefordert, der Flugzeugbauer solle für die zur Freigabe der 737 MAX notwendige Reparatur die Erkenntnisse aus dem Absturz in Äthiopien berücksichtigen.

Unter den 157 Opfern des Unglücks am 10. März in Äthiopien waren drei Ärzte aus Oberösterreich, die beruflich nach Sansibar unterwegs waren, sowie eine kenianische Doktorandin der BOKU Wien. Zudem kamen zahlreiche Mitarbeiter der Vereinten Nationen ums Leben.