Herr Neumann, Sie sind Terrorexperte Wie sehr hat Sie dieser Terroranschlag in Neuseeland überrascht, hatten Sie ein Bedrohungsszenario am Radar?

PETER R. NEUMANN: Nein, das hatte niemand am Radar, ich hatte selbst keine Information über eine rechte Szene dort. Allerdings hat der Attentäter selbst in seinem kruden "Manifest" festgehalten, sich das Land beinahe zufällig ausgesucht zu haben. Er war kein Teil der Rechtsradikalen dort, ist gebürtiger Australier, der nach Neuseeland kam. Sprich: Der Attentäter hat sich dieses Land beinahe zufällig ausgesucht.

Ist das nicht auch Indiz dafür, dass man den Überbau einer Terrororganisation gar nicht mehr braucht, um zuzuschlagen?

Genau, er ist ein Attentäter, der offenbar nicht selbst Teil einer tatsächlichen Vereinigung war, aber sehr tief in den virtuellen Subkulturen steckte. Dort organisiert man sich transnational, tauscht sich aus – und schreitet auch zur Tat. Virtuelle Subkulturen sind für viele Sicherheitsbehörden noch ein Buch mit sieben Siegeln.

Wo sehen Sie Ähnlichkeiten zwischen islamistischen Terroristen und rechtsradikalen Attentätern wie diesem?

Ich würde sogar sagen, sie befruchten sich gegenseitig: Der Festgenommene hat gesagt, er habe den aktuellen Terroranschlag als Vergeltung für jihadistische Attacken durchgeführt. Und es gibt Ähnlichkeiten der totalen medialen Inszenierung: Man nützt alle modernen Möglichkeiten sozialer Medien, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu generieren und Nachahmer zu finden. Parallelen gibt es zudem in der Organisation im Netz. Man schaut sich zweifellos Taktiken voneinander ab. Auch ein Breivik sagte sich: "Die Muslime sind zwar meine Feinde, aber die Art und Weise meines Terrors schaue ich mir von Al Kaida ab, da hat es ja auch gut funktioniert."

Bewegte sich dieser Attentäter im Dunstkreis von Breivik?

Das Wort "Dunstkreis" halte ich für übertrieben, ich kann mir vorstellen, dass er ihm einen Brief geschrieben hat. Klar ist, dass er für ihn ein Held war. Er sah sich in Breiviks Tradition. Selbst das "Manifest" ist gleich formatiert wie das Breiviks, als "Interview mit sich selbst".

Droht jetzt Vergeltung der "anderen Seite"?

Nicht nur das. Sicherheitsbehörden haben nun zwei Sorgen: Einerseits fühlen sich womöglich radikale Islamisten ermächtigt, Vergeltung zu verüben. Andererseits könnte die Tat auch der eigenen Anhängerschaft signalisieren, dass die Zeit gekommen ist, zu handeln.