Nachdem Schneefälle in Südtirol am Wochenende für einen Ausnahmezustand auf der Brennerautobahn (A22) gesorgt hatten, machen Italiens Frächter die Lkw-Fahrverbote Tirols für das Chaos verantwortlich. "Das Chaos ist nicht den auf Schnee unvorbereiteten Lkw-Fahrern, sondern einfach Österreichs Lkw-Blockadepolitik zuzuschreiben", hieß es in einer Presseaussendung der Frächter.

Nachtfahrverbot mit Folgen

"Niemand darf daher behaupten, dass das Chaos auf der A22 auf die Sommerreifen einiger Lkw zurückzuführen ist", sagt Thomas Baumgartner, Präsident des italienischen Frächterverbands Anita. Seit Jahren, so behauptet Baumgartner, gebe es für Lkw keine Winter- und Sommerreifen, sondern lediglich Reifen für jede Wetterbedingungen. "Wie seit langer Zeit der Fall, bildete sich Freitagabend wegen des Nachtfahrverbots, das nun auch auf Samstagfrüh ausgedehnt wurde, eine lange Kolonne von Lkw auf der südlichen Seite des Brenners. Wegen des Schneefalls und der Präsenz der Lkw auf der rechten Spur war eine optimale Straßensäuberung auf der Autobahnstrecke nicht möglich", meinte Baumgartner.

Der Präsident des Frächterverbands rief die italienische Regierung auf, Druck auf Österreichs gegen Tirols "einseitige Politik" in Sachen Lkw-Verkehr auszuüben. Diese verursache nicht nur lange Kolonnen auf der A22, sondern schade der Südtiroler und der italienischen Wirtschaft.

"Sehenden Auges ins Chaos"

Der Leiter der Verkehrsabteilung der Tiroler Polizei, Markus Widmann, kritisierte indes in der "Tiroler Tageszeitung" (Montagsaugabe) das Verhalten der Verkehrsteilnehmer. Diese seien "sehenden Auges in das Chaos" gefahren. Am Samstag sei die Sperre des Brenners für Lkw ab 8.00 Uhr und für Pkw ab 13.00 Uhr teils schon ab Bayern angezeigt worden - trotzdem habe sich der Verkehr ungerührt Richtung Süden weiterbewegt. "Die Leute steuerten trotz Überkopfwarnung, Verkehrsfunk und Navi direkt in den Stillstand", so Widmann.

Zudem wurde die unzureichende Winterausrüstung von Lkw bemängelt. Die italienischen Lkw-Fahrer hätten teils noch ohne Rücksicht auf Verluste versucht, vor dem Wochenendfahrverbot nach Italien zu kommen. Denn entgegen der Behauptung der italienischen Frächter gibt es sehr wohl Winterreifen für Lkw und in Österreich besteht überdies eine Winterreifenpflicht für Lkw und Busse. 

Kritik an Italiens Verkehrsminister

Die Drohung des italienischen Verkehrsministers Danilo Toninelli (M5S), nach dem Schneechaos am Wochenende die Südtiroler Brennerautobahn (A22) zu verstaatlichen, sorgt für rege Debatten. Parlamentarier aus den Reihen der Oppositionsparteien merkten an, dass die A22 ohnehin schon zu 85 Prozent in öffentlicher Hand sei.

"Die Brennerautobahn ist bereits mehrheitlich in öffentlicher Hand. Außerdem wurde 2016 ein Protokoll unterzeichnet, mit dem die Autobahnstrecke, die derzeit von Autobrennero Spa betrieben wird, einer vollkommen öffentlichen Gesellschaft übergeben werden soll", betonte die sozialdemokratische Parlamentarierin Alessia Rotta.

Toninelli meinte hingegen, Ziel der Regierung sei es, die Brennerautobahn zu hundert Prozent in öffentliche Hand zu bringen. Damit könnten die Einnahmen der Maut komplett zugunsten der Gemeinden und der Bürger, die die Autobahn nutzen, verwendet werden. "Schluss mit eklatanten und ungerechtfertigten Dividenden zugunsten der Betreibergesellschaften. Wir sind für stärkere Investitionen im Dienstleistungsbereich und für faire Mauten", so Toninelli, Minister der populistischen Fünf Sterne-Bewegung, in einer Presseaussendung.

Toninelli hatte am Sonntag mit Konsequenzen wegen des Schneechaos auf der A22 am Wochenende gedroht. Er kündigte eine Inspektion bei der Betreibergesellschaft an. "Wir wollen klären, warum sich diese Missstände auf der A22 ereignet haben."

Frächter-Kritik für Felipe "populistisch"

Die Tiroler Landesregierung hat die Aussagen des italienischen Frächterverbandes Anita, wonach das Bundesland Schuld am Schneechaos auf der Brennerautobahn (A22) habe, scharf zurückgewiesen. "Die Aussagen sind einseitig, populistisch und entbehren jeglicher Sachlichkeit", sagte die zuständige Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) der APA.

"Ich denke, es ist in keinster Weise konstruktiv, kurz nach dem Wochenende sich gegenseitige Schuldzuweisungen über den Brenner auszurichten. Das Land Tirol und die beteiligten Einsatzorganisationen werden das vergangene Wochenende in Ruhe aufarbeiten, analysieren und die richtigen Schlüsse daraus ziehen", kündigte Felipe an.

Die Landeshauptmannstellvertreterin verwies zudem darauf, dass nach Rücksprache mit Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) die Lkw-Fahrverbote ausgesetzt worden waren, um die Situation südlich des Brenners zu entschärfen. Felipe dankte überdies den Einsatzkräften, den Straßenmeistereien und der Exekutive, die in Tirol trotz der widrigen Umstände unter Druck die richtigen Entscheidungen getroffen hätten.

Platter weist Kritik zurück

LH Günther Platter (ÖVP) hat die Kritik der italienischen Frächterverbände an der hiesigen Verkehrspolitik im Zusammenhang mit dem Schneechaos auf der Brennerautobahn am Wochenende zurückgewiesen. "Es kann nicht sein, dass bei jedem Problem, welches auf der A22 entsteht, die Tiroler Verkehrspolitik verantwortlich gemacht wird", so Platter, der künftig einen schnelleren Informationsfluss forderte.

Tirol habe die italienischen Behörden in dieser prekären Situation vollends unterstützt. Gemangelt habe es aber "anscheinend an der internen Kommunikation in Italien", so der Tiroler Landeschef: "Ich fordere deshalb die italienischen Behörden auf, bei solch absehbaren Wetterereignissen eine bessere und schnellere Informationspolitik zu betreiben, denn es ist nicht das erste Mal, dass es stärker schneit - und es wird auch nicht das letzte Mal sein."

Die möglichen Behinderungen auf der A22 in Südtirol hätten sich durch die anhaltenden Schneefälle in Italien bereits am Freitagabend abgezeichnet. Daher seien in Tirol auch die nötigen Vorkehrungen getroffen worden. "Offensichtlich ist es auf italienischer Seite der Brennerautobahn nicht gelungen, rechtzeitig für eine ausreichende Räumung der Fahrbahn in Richtung Norden zu sorgen", kritisierte Platter. Trotz der großräumigen Ankündigungen der Brennersperre bereits in Bayern habe der Zulauf zum Brenner aber nicht gänzlich unterbunden werden können.