Im Prozess gegen Joaquín "El Chapo" Guzmán in New York haben dessen Verteidiger einen Freispruch des mexikanischen Drogenbosses gefordert. "Sie müssen dem Mythos von "El Chapo" nicht nachgeben", sagte Anwalt Jeffrey Lichtman in seinem Schlussplädoyer am Donnerstag an die Adresse der zwölf Geschworenen.

Diese sollen ab Montag über die Schuld oder Unschuld des 61-Jährigen beraten. Bei einer Verurteilung droht Guzmán lebenslange Haft. Der Strafverteidiger setzte in seinem Plädoyer auf scharfe Attacken gegen mehrere Zeugen. Staranwalt Lichtman bezeichnete 14 frühere Mitarbeiter Guzmáns, die bei dem Prozess in New York ausgesagt hatten, am Donnerstag als chronische Lügner. Die Geschworenen dürften ihren "Müll"-Aussagen keinen Glauben schenken. Der ganze Prozess sei eine "Farce".

"Diese Zeugen haben nicht nur zugegeben, jeden Tag ihres miserablen, egoistischen Lebens zu lügen - sie haben Sie hier im Gerichtssaal angelogen", sagte Lichtman in seinem mehr als vierstündigen Plädoyer. "Wenn Sie den Mitarbeitern, die vor Ihnen ausgesagt haben, nicht glauben, können Sie Herrn Guzmán nicht verurteilen."

Nicht der wahre Anführer?

Der prominente Strafverteidiger griff insbesondere die Drogenhändler Jorge und Alex Cifuentes an, die lange Kokain an Guzmán geliefert hatten, bevor sie mit der US-Justiz kooperierten. "Würden sie den Cifuentes(-Brüdern) ein Auto abkaufen? Würden Sie sie als Babysitter einstellen? Natürlich nicht! Ihr Auto würde liegen bleiben, sobald Sie den Parkplatz verlassen haben, und Ihr Kind würde für einen Kilo Kokain verkauft. (...) Aber Sie vertrauen auf diese Männer, um Herrn Guzmán zu verurteilen?"

Lichtman setzte zudem auf seine Verteidigungsstrategie, wonach gar nicht "El Chapo" Guzmán der wahre Anführer des Sinaloa-Kartells gewesen sei, sondern der flüchtige Drogenboss Ismael "El Mayo" Zambada.

Die Beweisführung der Staatsanwaltschaft stufte Lichtman als reihenweise Lügen ein. Die Zeugen hätten eigene Haftstrafen mit erfundenen Aussagen gegen Guzmán verringern wollen. "Diese Regierung (der USA) hat ihnen die Welt gegeben und dann haben sie gelogen wie gedruckt", sagte Lichtman.

Richter Brian Cogan musste Lichtman teils in die Schranken weisen. "Es gibt in diesem Fall keine Beweise, dass die Regierung aus einem falschen Motiv handelte", stellte er klar. Lichtman hatte argumentiert, die Staatsanwaltschaft habe es auf Guzmán abgesehen und wolle ihn in dem Drogenkrieg um jeden Preis hinter Gitter bringen. "Der Zweck heiligt die Mittel nicht", sagte Lichtman.

Die ursprünglich 17 Anklagepunkte sind im Prozess auf 10 Punkte verringert worden. Die Jury muss für jeden dieser zehn Punkte einstimmig entscheiden, ob Guzmán schuldig ist oder nicht. Wann im Fall einer Verurteilung das Strafmaß verkündet wird, ist offen.