Im Skandal um den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch einen Priester müssen sich in Frankreich seit Montag hohe katholische Geistliche wegen Vertuschung verantworten. Hauptangeklagter ist der Erzbischof von Lyon, Kardinal Philippe Barbarin, der die Vorwürfe zu Prozessbeginn zurückwies.

Er habe "niemals versucht, diese schrecklichen Taten zu verheimlichen", erklärte der 68-Jährige. Die Verteidigung sprach von einem "Schauprozess". In der Erzdiözese Lyon im Osten Frankreichs soll sich der Priester Bernard Preynat in den Jahren 1986 bis 1991 an jungen Pfadfindern vergangen haben. Kardinal Barbarin wusste laut Anklage spätestens seit 2000 von den Vorgängen, deckte den Priester aber. Dem Erzbischof drohen in dem Prozess bis zu drei Jahre Haft und eine Geldstrafe von 45.000 Euro.

"Wahrheit über das Schweigekartell"

"Wir wollen die Wahrheit über das Schweigekartell wissen", sagte der Mitgründer des Opferverbands La Parole Liberee (etwa: die befreite Rede), Alexandre Hezez, zum Auftakt des Verfahrens. Der Verband wirft dem Erzbischof vor, dem Priester erst 2015 den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen untersagt zu haben, als die Vorwürfe öffentlich bekannt wurden.

"Ich habe niemals versucht, diese schrecklichen Taten zu verheimlichen und noch weniger, sie zu decken", erklärte Barbarin vor Gericht. 2016 hatte er bei einem Treffen von Bischöfen in Lourdes gesagt, die Mehrheit der Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs seien "Gott sei Dank" verjährt. "Ich habe es in der Vergangenheit nicht immer verstanden, die besten und passendsten Wörter zu nutzen", erklärte er nun vor Gericht.

Neben dem Kardinal stehen auch zwei frühere Mitglieder der Erzdiözese Lyon vor Gericht: Maurice Gardes, derzeit Erzbischof im südwestfranzösischen Auch, und Thierry Brac de la Perriere, Bischof von Nevers im Zentrum des Landes. Vorgeladen sind zudem zwei Kleriker aus Lyon und die ehemalige Verantwortliche einer Gruppe für Missbrauchsopfer. Dem Priester Preynat steht ein separater Prozess bevor.

"Dieses Verfahren ist ein Schauprozess", kritisierte einer der Anwälte der Verteidigung vor Gericht. Im Saal seien mehr Journalisten als andere Vertreter der Öffentlichkeit. Eine Kläger-Anwältin betonte dagegen, die Kirchenverantwortlichen hätten "absolut nichts vom Leid der Opfer der sexuellen Übergriffe verstanden".

Keine Abberufung aus Rom

Papst Franziskus ist Forderungen nach einer Abberufung von Erzbischof Barbarin bisher nicht nachgekommen. Der Kardinal trägt den Titel Primus von Gallien und galt selbst lange als möglicher Papstanwärter.

Franziskus äußerte sich am Montag nicht zu der Prozesseröffnung in Lyon. Der Papst betonte aber, er werde sich weiter für eine Aufklärung von Missbrauchsfällen einsetzen. Diese seien eine "Plage" und richteten "irreparable und lebenslange Schäden" bei den Opfern an.

In Europa, den USA und Australien haben Missbrauchsskandale die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche schwerbeschädigt und diese in eine der größten Krisen ihrer Geschichte gestürzt. Im Februar richtet der Papst im Vatikan eine Konferenz zum Thema Kindesmissbrauch aus, an der Bischöfe aus aller Welt teilnehmen sollen.