Wären die Tiere im Krieg, müssten sie permanent an verschiedenen Fronten kämpfen: Raub von Lebensraum, Klimawandel, Wilderer und Ozeane aus Plastikmüll setzen den Arten weltweit zu wie nie zuvor. Die neue Jahresbilanz des World Wide Fund for Nature (WWF) fällt erschütternd aus: Seit 1970 schrumpften die weltweit untersuchten Wirbeltierbestände im Schnittum 60 Prozent – das größte Artensterben seit dem Ende der Dinosaurier.

Die größten Verlierer 2018

Aktuell zählen vor allem Bewohner der arktischen Region, in die der Mensch indirekt und direkt immer stärker eindringt, zu den großen Verlierern. Der Lebensraum von Eisbär, Ringelrobbe und ähnlichen Bewohnern der  hochsensiblen Region schrumpfte abermals. Im heurigen Oktober erreichte das Packeis des zugefrorenen Polarmeeres seine drittgeringste Ausdehnung seit 1979 – was vor allem dem größten an Land lebenden Raubtier der Erde die Existenz raubt: Zu wenig Möglichkeit, auf Eisflächen jagen zu können, bedeutet das Fehlen von Nahrung und Fettdepots für den Sommer.

Da Nördliche Breitmaulnashorn, das de facto ausgestorben ist
Da Nördliche Breitmaulnashorn, das de facto ausgestorben ist © (c) APA/AFP/TONY KARUMBA (TONY KARUMBA)

Eine Zukunft auf äußerst dünnem Eis freilich nicht nur für den Eisbären. Da ist auch das Nördliche Breitmaulnashorn, das de facto ausgestorben ist: Das letzte männliche Tier ist im März 2018 gestorben – die  verbliebenen zwei Weibchen sind nicht fortpflanzungsfähig. Hier ruht die ganze Hoffnung auf Leihmüttern der südlichen Unterart, die im Labor angezüchtete Embryonen austragen sollen. Bei den Land- und Süßwasserschildkröten ist die Hälfte der bekannten Spezies bedroht. Ganz oben die Jangtse-Riesenweichschildkröte. Von ihr gibt es nur noch drei Tiere. Man erinnere sich an "Lonesome George", die Pinta-Riesenschildkröte, die 2012 als Letzte ihrer Art verendete.

"Lonesome George", die Pinta-Riesenschildkröte, die 2012 als Letzte ihrer Art verendete
"Lonesome George", die Pinta-Riesenschildkröte, die 2012 als Letzte ihrer Art verendete © (c) APA/AFP/RODRIGO BUENDIA (RODRIGO BUENDIA)

Fünf nach zwölf schlug es auch für den Tapanuli-Orang-Utan: Erst 2017 auf Sumatra entdeckt, muss man sich wohl bald wieder von ihm verabschieden: Der Lebensraum der 800 verbliebenen Vertreter des seltensten Menschenaffen muss Plantagen und Minen weichen. Als wäre das Habitat von 1000 Quadratkilometern nicht klein genug, bringt ein geplanter Staudamm die Spezies weiter in Bedrängnis. Schwer angezählt
auch der Amazonas-Flussdelfin und die Mongolische Saiga-Antilope. In Europa ist der Hering der westlichen Ostsee ein Verlierer. Zeiten, in denen er als "Brotfisch" deutscher Küstenfischerei galt, sind durch Raubfang längst passé.

Schwer angezählt: die Mongolische Saiga-Antilope
Schwer angezählt: die Mongolische Saiga-Antilope © WWF

Es gibt auch etwas Licht

Auf der anderen Seite gibt es auch etwas Licht: Die Mission, die Zahl der
Tiger bis 2022 zu verdoppeln, trug zumindest in Nepal Früchte: 2009 gab es dort noch 120 Exemplare, heute sind es 235. Im Aufwind auch die Berggorillas: 2018 stieg ihre Gesamtzahl auf über 1000 Individuen. In einer Bestandsuntersuchung zählten Forscher in den Bergwäldern
rund um den NationalparkVirunga im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo nahe Ruanda und Uganda 604 Exemplare. Erholen konnten sich auch die Finnwale und die westpazifischen Grauwale.

Leicht im Aufwind: der Berggorilla im Nationalpark Virunga
Leicht im Aufwind: der Berggorilla im Nationalpark Virunga © (c) AP (Jerome Delay)

Insgesamt stuft die Weltnaturschutzunion IUCN fast 27.000 Tier- und Pflanzenarten als bedroht ein. "Wir sägen am Ast, auf dem wir sitzen. Der Mensch ist Teil der Natur. Ohne vielfältige, vitale Ökosysteme können wir nicht überleben", mahnt WWF-Vorstand Eberhard Brandes.

Wildtiere als große Verlierer - was der Mensch hier verliert, wurde ihm offenbar noch immer nicht klar.