Nach dem Anschlag auf den Straßburger Weihnachtsmarkt fahndet die französische Polizei nun öffentlich nach dem Verdächtigen Cherif Chekatt. Die Polizei gab am Mittwochabend einen offiziellen Fahndungsaufruf mit einem Foto heraus, in dem sie die Bevölkerung um Mithilfe bei der Suche nach dem weiterhin flüchtigen 29-Jährigen bat.

Das Foto zeigt einen jungen Mann mit schwarzen Augen, dichten Augenbrauen, schwarzen Haaren und einem kurzen Bart. Der Gesuchte sei "gefährlich", warnte die französische Polizei im Kurzbotschaftendienst Twitter. "Greifen Sie auf keinen Fall selber ein." Chekatt ist demnach 1,80 Meter groß und hat eine "normale Statur". Wer Informationen über seinen Aufenthaltsort hat, soll sofort die Polizei verständigen.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft eröffnete Chekatt am Dienstagabend gegen 19.50 Uhr mit einer automatischen Pistole das Feuer nahe dem Straßburger Münster, wo auch in diesem Jahr der Weihnachtsmarkt stattfindet. Er sei dann durch die Fußgängerzone gelaufen und habe Menschen beschossen und mit einem Messer angegriffen. Nach Angaben von Zeugen rief er "Allahu Akbar" (Gott ist groß), wie die Staatsanwaltschaft erklärte.

Details vom Innenminister

Soldaten eröffneten später das Feuer auf den Täter, wie Innenminister Christophe Castaner sagte. Sie verletzten ihn am Arm, konnten ihn aber nicht stoppen. Der Angreifer floh schließlich mit einem Taxi aus der Altstadt in Richtung des Wohnviertels Neudorf, wo sich seine Spur verlor.

Nach Behördenangaben wurden bei dem Angriff zwei Menschen getötet, unter ihnen ein thailändischer Tourist, ein drittes Opfer wurde später für hirntot erklärt. Zwölf Menschen wurden verletzt. Sechs von ihnen schwebten am Mittwoch weiter in Lebensgefahr. Österreicher oder Deutsche sind nach derzeitigem Kenntnisstand nicht unter den Opfern.

In Frankreich beteiligten sich nach Angaben des Innenministeriums mehr als 700 Sicherheitskräfte an der Fahndung nach dem gebürtigen Straßburger. Chekatts Mutter, sein Vater und zwei Brüder wurden nach Angaben aus Ermittlerkreisen am Mittwoch festgenommen und verhört. Es gab zudem mehrere Hausdurchsuchungen.

Attentäter wurde überwacht

Chekatt wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft vom französischen Inlandsgeheimdienst DGSI überwacht und wegen seiner Radikalisierung als Gefährder geführt. Bisher habe es aber keine Erkenntnisse über eine bevorstehende islamistische Tat gegeben, hieß es aus dem Innenministerium.

Eigentlich sollte der Mann am Morgen vor der Tat festgenommen werden. Der Einsatz sei im Zusammenhang mit "einer versuchten Tötung" bei einem Raubüberfall gestanden, sagte Innenstaatsekretär Laurent Nunez. Dabei fanden die Ermittler nach Angaben der Staatsanwaltschaft Waffen in der Wohnung des Verdächtigen: eine Granate, Munition und vier Messer.

Nach Angaben des Innenministeriums von Baden-Württemberg war der Verdächtige auch in Deutschland aktenkundig: 2016 war er wegen zweifachen Einbruchdiebstahls zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Ein Jahr später wurde er nach Frankreich abgeschoben. Als Gefährder wurde er aber in Deutschland nicht geführt.

Die Behörden schließen nicht aus, dass er nach Deutschland gelangt sein könnte. Die deutsche Bundespolizei fahndete deshalb "mit verstärkten Kräften" im deutsch-französischen Grenzgebiet.

Die französische Regierung rief nach dem Anschlag die höchste Terrorwarnstufe aus. Wie Premierminister Edouard Philippe am Abend mitteilte, werden die 7.000 Soldaten des permanenten Anti-Terror-Einsatzes "Sentinelle" in den kommenden Tagen zudem um 1.800 Soldaten verstärkt. Auf allen Weihnachtsmärkten und an Grenzen wurden die Sicherheitskontrollen verschärft.

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Macron zum Handeln aufgefordert

Konservative und Rechtspopulisten forderten Präsident Emmanuel Macron erneut zu einem schärferen Vorgehen gegen Gefährder auf. Frankreich war in den vergangenen Jahren wiederholt Ziel islamistischer Anschläge geworden. Seit Anfang 2015 wurden dabei mehr als 240 Menschen getötet.

Mit Blick auf den Anschlag in Straßburg und die "Gelbwesten"-Krise rief Macron zu politischer Zurückhaltung auf. Die aktuellen Geschehnisse verlangten von jedem verantwortungsvollen politischen Führer Ruhe und Mäßigung, sagte Regierungssprecher Benjamin Griveaux am Mittwoch nach einer Kabinettssitzung unter Vorsitz Macrons. Unklar war am Mittwoch, wie sich der Straßburger Anschlag auf mögliche "Gelbwesten"-Demonstrationen am Samstag auswirkt. Der Straßburger Weihnachtsmarkt wird auch am Donnerstag geschlossen bleiben, Kindergärten und Schulen sollen aber wieder öffnen.

In der Nacht auf Donnerstag wird die Beleuchtung des Eiffelturms für eine Trauerminute abgeschaltet. Das Wahrzeichen von Paris bleibe um Mitternacht "zu Ehren der Opfer" dunkel, teilte Bürgermeisterin Anne Hidalgo am Mittwoch im Kurzbotschaftendienst Twitter mit. Sie drückte zudem ihre "Unterstützung für die Angehörigen und alle Straßburger" aus. Der Eiffelturm bleibt nach Attentaten weltweit regelmäßig dunkel.

Bereits am Mittwoch wurde in Frankreich vielerorts der Opfer gedacht. Am Straßburger Münster läutete zu Mittag zehn Minuten lang die Totenglocke, im Plenarsaal des Europaparlaments und in der Pariser Nationalversammlung hielten die Abgeordneten Schweigeminuten ab.

Auch Papst Franziskus verurteilte den Anschlag. Mit "Traurigkeit und Sorge" habe der Heilige Vater von dem am Dienstagabend verübten Attentat erfahren, hieß es in einem Kondolenzschreiben des vatikanischen Staatssekretärs Pietro Parolian an den Straßburger Erzbischof, Luc Ravel. Der Heilige Vater bete für die Familien der Todesopfer und alle beim Attentat betroffenen Personen.