Man sagt, vom „Geist von Paris“, der 2015 die Klimaverhandlungen beflügelte, sei hier in Kattowitz nicht mehr viel zu spüren. Teilen Sie diesen Eindruck?
ADAM PAWLOFF: Der Geist von damals ist nicht ganz verschwunden, aber diese Öffnung, gemeinsam am Problem zu arbeiten, ist etwas abhandengekommen. Man merkt, dass sich die Staaten wieder mehr auf ihre nationalen Positionen zurückziehen. Viele sogenannte Entwicklungsländer sind mit Recht verärgert, dass die Industriestaaten ihr Versprechen, bis 2020 stärkere klimapolitische Anstrengungen zu unternehmen, bislang nicht einhalten. Zudem haben sich die USA aus dem Prozess verabschiedet.

Auch Brasilien gilt seit der dortigen Wahl als Wackelkandidat, in Australien wendet sich die neue Regierung vom Klimaschutz ab. Droht ein Dominoeffekt?
Eines ist klar: Wenn sich Brasilien jetzt tatsächlich daran macht, die Abholzung des Amazonasgebiets noch stärker voranzutreiben, ist das eine Katastrophe. Aber ich glaube nicht an ein Schreckensszenario, dass nun ein Staat nach dem anderen umfällt. Wer sich komplett aus solchen Verhandlungsprozessen herausnimmt, wird erfahrungsgemäß auch bei anderen internationalen Verhandlungen ein Stück unglaubwürdiger. Und wie Arnold Schwarzenegger bei der Konferenzeröffnung richtig gesagt hat: Auch wenn die US-Regierung draußen ist, bleiben die vielen Städte und Bundesstaaten weiter am Ball.

Österreich wird von den NGOs stark kritisiert. Warum?
Die Klimapolitik ist in Österreich ein einziger Trümmerhaufen. Wir haben eine Bundesregierung, die sich den Klimaschutz groß auf die Fahnen geheftet hat und nicht eine einzige konkrete Maßnahme umsetzt. Stattdessen darf man jetzt auf den Autobahnen zum Teil 140 fahren. Darüber hinaus hat Österreich in Brüssel einen Kompromiss vorgelegt, der die Verlängerungen von Kohlesubventionen bis 2035 vorsieht.

Was muss in Kattowitz nach zwei Wochen erreicht sein, damit Sie die Konferenz als Erfolg bezeichnen würden?
Wir wissen, dass eine riesige Lücke klafft zwischen den Paris-Zielen und den konkreten Zusagen der Staaten. Diese Lücke gilt es zu schließen. Es braucht eine klare Entscheidung der Konferenz, dass die Klimaschutzpläne im nächsten Jahr nachgebessert werden müssen, und ein Bekenntnis der Staaten dazu. Auch das Regelbuch, das die Umsetzung festschreibt, muss beschlossen werden.

Eine Erhöhung der Klima-Zusagen steht nicht auf der Tagesordnung der Konferenz. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass es trotzdem passiert?
Das Regelbuch werden wir wohl tatsächlich bekommen, und den meisten Staaten dürfte auch klar sein, dass es keinen anderen Weg gibt, als die Zusagen nachzubessern. Viel hängt jetzt von der EU ab: Auch wenn noch keine Zahlen genannt werden, braucht es ein Signal, das eine neue Dynamik auslöst, wie wir sie in Paris erlebt haben. Hier spielt Österreich im Rahmen des EU-Ratsvorsitzes eine entscheidende Rolle. Frau Bundesministerin Köstinger muss sich für einen starken Vertragstext seitens der EU einsetzen.