Ausländerfeindliche Einstellungen breiten sich in Deutschland weiter aus. Zu diesem Schluss kommen die Autoren der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Autoritarismusstudie der Universität Leipzig. Die Wissenschafter stellen darin eine Zunahme feindlicher Haltungen gegenüber Ausländern und Minderheiten fest, insbesondere gegenüber Muslimen sowie Sinti und Roma.

Zudem seien Ausländerfeindlichkeit und Rassismus in den neuen Bundesländern deutlich ausgeprägter. Die von der Otto-Brenner-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung unterstützte Studie bemisst die Ausländerfeindlichkeit an der Zustimmung der Befragten zu einzelnen Aussagen. So stimmt jeder dritte Deutsche der Aussage zu, dass Ausländer den deutschen Sozialstaat ausnutzen oder die Bundesrepublik überfremden. Im Osten stimmt dem sogar jeder zweite Befragte zu.

"Überfremdet"

Mehr als ein Drittel der Studienteilnehmer hält Deutschland "in einem gefährlichen Maß für überfremdet", im Osten sogar fast die Hälfte. Deutschlandweit stimmten ferner 56 Prozent der Befragten der Aussage zu, sie fühlten sich "wegen der vielen Muslime hier wie ein Fremder im eigenen Land". 2014, vor der Ankunft zahlreicher Geflüchteter, lag dieser Wert noch bei 43 Prozent.

Ebenfalls stark ausgeprägt ist der Antiziganismus, also die Ablehnung von Sinti und Roma. 60 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, Sinti und Roma neigten zu Kriminalität. Im Osten bejahten 70 Prozent diese These. "Die Ausländerfeindlichkeit ist im gesamten Land immer stärker verbreitet, das zeigt unsere aktuelle Befragung ganz deutlich", erklärte Studienleiter Oliver Decker.

Seit der letzten Erhebung im Jahr 2016 stieg den Autoren zufolge die sogenannte geschlossene manifeste Ausländerfeindlichkeit. Gemeint sind Befragte, die konsequent allen Aussagen zustimmen. Deren Anteil stieg in Ostdeutschland von rund 23 auf 31 Prozent.

Auch antisemitische Einstellungen stagnieren auf hohem Niveau: Jeder Zehnte stimmte abwertenden Aussagen über Juden zu. Bei einzelnen antisemitischen Aussagen war es bis zu ein Drittel der Befragten, die zumindest teilweise zustimmten. "Den Wunsch, Andersdenkende auszugrenzen, teilen zwei Drittel der Deutschen", erklärte Decker.

Positiv: Die Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie steigt. Vor allem im Osten ist langfristig ein starker Zuwachs zu erkennen. Zeigten sich 2006 nur rund 27 Prozent zufrieden, lag der Wert in diesem Jahr bei rund 47 Prozent.

Viele AfD-Wähler

Die Teilnehmer der Studie waren auch nach ihrer Wahlpräferenz gefragt worden. Dabei zeigte sich den Angaben zufolge: 55 Prozent der Menschen, die angaben, sie würden die AfD wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, äußerten sich ausländerfeindlich.

Unter denjenigen, die CDU, CSU und SPD wählen würden, waren demnach 22 Prozent Ausländerfeinde. Für die Wähler der FDP ermittelten die Forscher einen Wert von 18 Prozent. Bei den Anhängern von Linkspartei (15 Prozent) und Grünen (11 Prozent) waren es deutlich weniger.

Für die Studie waren im Mai und Juni dieses Jahres deutschlandweit 2.416 Menschen im Alter zwischen 14 und 93 Jahren befragt worden.

Zum 80. Jahrestag der Novemberpogrome am kommenden Freitag warnte indes Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) vor einem Erstarken des Antisemitismus in Deutschland. "Es ist bedrückend, wenn von jüdischer Seite immer häufiger geäußert wird, dass antisemitische Einstellungen wieder in aller Offenheit ausgedrückt werden", erklärte Müller am Mittwoch. Demokraten seien verpflichtet, diesen Entwicklungen entgegenzutreten.

Gedenkveranstaltungen

In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 hatte es im ganzen Land Ausschreitungen gegen Juden und jüdische Einrichtungen gegeben. Durch den ausbleibenden Protest der Gesellschaft fühlten sich die Nationalsozialisten in ihrem Vorhaben bestärkt, Pläne zur Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas voranzutreiben.

In Berlin finden am Freitag mehrere Gedenkveranstaltungen statt, darunter eine Zusammenkunft in der Ausstellung Topografie des Terrors sowie eine gemeinsame Gedenkveranstaltung des Bundestags und des Zentralrates der Juden in der Synagoge in der Rykestraße.

Müller erklärte, Rechtspopulisten und Geschichtsklitterer arbeiteten an einem gesellschaftlichen Diskurs, "in dem Ausgrenzung, Herabsetzung, Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus weiter enttabuisiert werden". Er sei bestürzt über die Präsenz von Rechtspopulisten im Deutschen Bundestag und allen Landesparlamenten. "Das sind Alarmzeichen, die allen demokratischen Kräften zu denken geben müssen."