Wenn Papst Franziskus heute zu einem viertägigen Besuch ins Baltikum aufbricht, erwarten ihn drei trotz nachbarschaftlicher Lage religiös höchst unterschiedliche Länder.

In Litauen mit seinen knapp achtzig Prozent Katholiken will er nicht nur Messe feiern und Vertreter von Regierung, Kirchen und Zivilgesellschaft treffen. In der Hauptstadt Vilnius wird er auch das "Museum der Opfer des Genozids" in einem Gebäude besuchen, dass die Gestapo und später der KGB nutzten. Bei einem stillen Besuch in zwei Zellen und einem Hinrichtungsraum möchte der Papst eine Kerze für die Verstorbenen anzünden, darunter viele Priester, die Opfer der Kirchenverfolgung der Sowjetzeit wurden.



Erst vor Kurzem wurde ein Besuch an einem Denkmal für die Juden des Ghettos von Vilnius in das Programm aufgenommen. Auf den Tag genau 75 Jahre nach der Zerstörung des Gettos durch SS-Einheiten wird der Papst dort in Begleitung von Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite und von Vertretern der jüdischen Gemeinde ein Gebet sprechen. Die Mehrheit der Bewohner war 1943 in umliegenden Wäldern und Vernichtungslagern umgebracht worden. Vilnius hatte bis zu diesem Zeitpunkt über Jahrhunderte verfolgten Juden Schutz geboten. So galt Vilnius als ein Zentrum jüdischer Kultur und als "Jerusalem des Nordens".

In Lettland, der zweiten Etappe, wird der Papst den Marienwallfahrtsort Aglona besuchen, an dem sich bis zu 100.000 Menschen treffen. Ob der christlichen Vielfalt (ein Drittel Protestanten, je ein Fünftel Katholiken und Orthodoxe) stehen Begegnungen mit Angehörigen anderer Kirchen im Fokus.

In Estland besucht Franziskus eines der am stärksten säkularisierten Länder Europas. Nur zwanzig Prozent der Esten gehören einer Religionsgemeinschaft an, nur 0,5 Prozent sind katholisch. Für den Papst dürfte diese Mischung aus religiöser Tradition und völliger Abwendung davon eine willkommene Herausforderung sein.