Papst Franziskus ist am Samstag zu einem zweitägigen Irlandbesuch aufgebrochen. Um 8.30 Uhr startete er vom römischen Flughafen Fiumicino nach Dublin. Dort wird er bei seiner Ankunft gegen 11.30 Uhr von Vize-Regierungschef Simon Coveney erwartet. Anlass der Reise ist das neunte katholische Weltfamilientreffen, das seit Dienstag mit 37.000 Dauerteilnehmern in der irischen Hauptstadt Dublin tagt.

Dennoch: Zu sagen, dass Papst Franziskus heute eine ganze Bandbreite von Gefühlen in Dublin erwartet, dürfte angesichts der Missbrauchsskandale noch untertrieben sein. Der Heilige Vater kommt für zwei Tage in die irische Hauptstadt, um dem neunten "World Meeting of Families" beizuwohnen.

Weltfamilientreffen seit 1994

Ein positives, verbindendes Ereignis, das einst von Papst Johannes Paul II. initiiert wurde und alle drei Jahre an einem anderen Ort stattfindet. Das Treffen rückt die Einheit der Menschen in den Fokus, versteht sich als vitales Forum für Christen und Familienverbände. Am heutigen Abend soll im Croke-Park-Stadion in Dublin ein Familienfestival stattfinden, zu dem 80.000 Teilnehmer erwartet werden. Geplant ist zudem ein Besuch des bedeutenden Marienwallfahrtsortes Knock im County Mayo im Westen der 4,8-Millionen-Einwohner-Insel.

Zehntausende Gläubige in Vorfreude auf Franziskus
Zehntausende Gläubige in Vorfreude auf Franziskus © (c) APA/AFP/PAUL FAITH (PAUL FAITH)



Doch Franziskus wird sich ausgiebig einer ganz und gar nicht freudvollen Thematik widmen müssen: Irland ist ein Land, in dem sich 80 Prozent des Volkes zum Katholizismus bekennen. Es ist aber auch ein Land, dessen (Kirchen-)Geschichte lange, dunkle Schatten wirft. Eine Endlosserie von Missbrauchsfällen sorgte über Jahrzehnte für viel Leid im Nordwesten Europas. Es dauerte peinsam lange, bis Verbrechen großflächig aufgedeckt wurden: sexueller Missbrauch von Frauen und Kindern durch Priester und Ordensschwestern, Zwangstrennung unverheirateter Frauen von ihren Babys, Vernachlässigung Tausender Kinder in kirchlich unterhaltenen Waisenhäusern und anderen Einrichtungen, Prügel, Demütigung.

Die Schicksale der Missbrauchsopfer werden aufgerollt
Die Schicksale der Missbrauchsopfer werden aufgerollt © (c) AP (Niall Carson)



2016 legte eine staatliche Untersuchungskommission auf 2600 Seiten erschütternde Bilanz vor. Dublins Erzbischof Diarmuid Martin betonte den Zeitenwandel: Seine Kirche "kämpfe darum, einen neuen Platz in Irlands Gesellschaft und Kultur zu finden, der sich von der dominanten Stellung der Vergangenheit unterscheidet." Der Heilige Vater wird im Rahmen seiner 24. Auslandsreise auf Missbrauchsopfer treffen – laut Vatikan-Sprecher Greg Burke gebe es bei all seinen Reisen an Orte, wo Derartiges geschehen sei, solche Begegnungen. Betroffene kündigten eine Mahnwache am Denkmal für Freiheitskämpfer in Dublin an – zur Zeit der Papstmesse.

"Verheerende Wirkung"

An klaren Worten im Vorfeld mangelte es nicht: Der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, ranghöchster Kirchenvertreter nach Franziskus, nannte sexuellen Missbrauch durch Priester eine "Gräueltat". Er sprach von einer "verheerenden Wirkung" auf die Glaubwürdigkeit der Kirche. Der Papst selbst hatte Anfang der Woche in einem Schreiben an die 1,3 Milliarden Katholiken in aller Welt eingeräumt, dass die Kirche den Schmerz der Opfer lange ignoriert habe. Er nahm damit nicht direkt auf Irland Bezug. Anlass des Briefes war ein Bericht von der anderen Seite des Atlantiks: Im US-Staat Pennsylvania vergingen sich in den letzten 70 Jahren über 300 Priester an Tausenden Kindern.

Kurienerzbischof Georg Gänswein, Privatsekretär des emeritierten Papstes Benedikt XVI., mahnte erst gestern im SWR-Hörfunk kompromisslose Aufklärung und Aufarbeitung der Missbrauchsthematik in der Kirche ein, denn: "Wo Schmutz ist, muss geputzt werden."