August ist Hochsaison im Yosemite Valley. Bis zu 20.000 Besucher aus aller Welt strömen dann täglich in das von riesigen Granitwänden umgebene Tal. Doch seit Wochen ist das Herzstück des kalifornischen Yosemite-Naturparks eine Geisterlandschaft. "Ich konnte nicht weiter als gut fünf Meter sehen. Es war eine weiß-graue Wolke, statt Felswände und Wasserfälle, mehr als drei Wochen kein Stück blauer Himmel", erzählt die Park-Rangerin Jamie Richards.

Einer der beliebtesten Naturparks der USA - mit rund fünf Millionen Besuchern im Jahr - ist Opfer der verheerenden Waldbrände in Kalifornien geworden. Das sogenannte Ferguson-Feuer westlich des Parks hat seit Mitte Juli eine Fläche von knapp 400 Quadratkilometern verkohlt. Das Kernstück des Tals blieb von den Flammen verschont, doch sämtliche Zufahrtsstraßen sind blockiert, der Park ist in dichten Rauch gehüllt.

Das sogenannte "Ferguson"-Feuer westlich des Yosemite-Parks
Das sogenannte "Ferguson"-Feuer westlich des Yosemite-Parks © AP

So gefährlich war die Luftbelastung, schlimmer als im für Luftverschmutzung bekannten Peking, dass die Parkverwaltung am 25. Juli alle Besucher aus dem Tal verbannte. Auch Hunderte Naturpark-Mitarbeiter mussten das Yosemite Valley räumen.

Das Flammeninferno in der Sierra Nevada ist kein Einzelfall: Mehr als ein Dutzend Flächenbrände wüten derzeit in dem Westküstenstaat, Zehntausende Feuerwehrleute sind im Einsatz. Das sogenannte Mendocino-Komplex-Feuer nördlich von San Francisco hat eine Fläche von über 1.300 Quadratkilometer erfasst, damit ist es das größte Feuer in der Geschichte des US-Staates.

Ein kleiner Lichtblick in dem Katastrophen-Szenario: Am Dienstag soll das Yosemite-Tal nach knapp dreiwöchiger Schließung wieder öffnen, wie die Parkverwaltung am Freitag mitteilte. Zu diesem Zeitpunkt schwirrten immer noch kleine Ascheflocken durch die grau verhangene Bergluft. Nur Parkmitarbeiter durften erstmals in die schaurig-schöne Natur zurückkehren.

"Hier wären sonst Hunderte Touristen unterwegs", erklärt Rangerin Jamie Richards. Sie steht mit einer Handvoll Kollegen und Feuerwehrleuten an einem Aussichtsplateau am Fuße der berühmtem Yosemite-Fälle, die aus über 700 Meter Höhe an einer steilen Granitwand ins Tal stürzen.

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Die Wanderpfade sind menschenleer, Stille auf den Parkplätzen und an den Bushaltestellen. Die verlassenen Campingplätze mit den weißen Zelthütten wirken fast gespenstig. Noch nie war das Yosemite-Valley wegen Bränden so lange geschlossen. 1997 richteten katastrophale Überflutungen nach heftigen Regenfällen schwere Schäden an. Zwei Monate lang - allerdings in der Nebensaison von Jänner bis März - machte das Tal damals dicht.

Jetzt sind es die Folgen einer langjährigen Dürre, die extreme Sommerhitze und heftige Winde, die das Feuerinferno an der Westküste anfachen. "Dazu kommen noch Millionen von geschwächten und toten Bäumen durch starken Borkenkäferbefall", erklärt Feuerwehr-Chef Mark von Tillow. Nach einer Ende 2017 veröffentlichten Studie der Forstbehörde hat das Baumsterben in Kalifornien unter anderem durch Trockenheit und einen starken Borkenkäferbefall eine Rekordzahl von 129 Millionen toten Bäumen erreicht.

Von Tillow ist Einsatzleiter beim Ferguson-Feuer, seit 33 Jahren bekämpft er Waldbrände. "Früher hatten wir eine mehrmonatige Feuersaison, jetzt brennt es das ganze Jahr über, von Jänner bis Dezember", sagt der gebürtige Südkalifornier.

Um 6.00 Uhr gibt er den Kampfplan für den Tag bekannt. Welche Hot-Spots müssen von Hand gelöscht werden? Wo können die Löschflugzeuge helfen? Hunderte Feuerwehrleute kampieren auf einem Zeltplatz am Rand des Yosemite-Parks. Die Erschöpfung ist ihnen anzusehen, viele sind schon zwei Wochen am Stück im Einsatz.

Fünf Feuerwehrleute sind in den vergangenen Wochen bei der Bekämpfung der Buschfeuer ums Leben gekommen. Es ist damit die tödlichste Feuersaison für Helfer in Kalifornien seit 2008. Es könnte auch eines der teuersten Katastrophenjahre werden. Allein die Kosten für den Einsatz von zeitweise über 3.000 Feuerwehrleuten nahe Yosemite werden mit über 100 Millionen Dollar (etwa 87 Millionen Euro) beziffert.

Auch die umliegenden Ortschaften, wie das ehemalige Goldgräberdorf Mariposa, sind von dem Feuer und der Sperrung des Yosemite-Tals schwer betroffen. Auf dem Weg in den Naturpark steigen dort gewöhnlich Touristen aus aller Welt ab. Jetzt sind die Gehsteige vor den historischen Holzfassaden ausgestorben, die Flammen und der Rauch schrecken die Besucher ab.

"Einige Geschäfte werden das nicht überleben, wir machen uns wirklich Sorgen", klagt Heidi Dulcich. Die 46-Jährige betreibt in Mariposa ein Gemischtwarengeschäft. "Das ist die nächste Katastrophe mitten in der Touristensaison. Vergangenes Jahr mussten wir den Ort wegen Feuern räumen, dann hatten wir Überschwemmungen und nun wieder Brände", sagt die Kalifornierin kopfschüttelnd.

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Mit jeder Katastrophe ist in den USA allerdings auch ein Geschäft zu machen. Ein Stand am Straßenrand verkauft knallige T-Shirts mit der Aufschrift "Ferguson Fire", dazu Szenen von Flammen und Feuerwehrleuten. Im Yosemite-Park bereitet man sich auf den Ansturm der Besucher vor. Im Dorfgeschäft für Souvenirs und Lebensmittel wurden am Freitag die Regale aufgefüllt.

"Die Touristen aus Europa tun mir so leid, die nun vielleicht die Chance ihres Lebens verpasst haben, Yosemite zu sehen", meint die Kassiererin Cherry. Seit 24 Jahren arbeitet sie als Verkäuferin und Kellnerin in dem Park. "Ich musste zwei Wochen aus dem Tal raus, das war schon schlimm genug".