Liliana Carmona vermisst die üppigen Pinienwälder, die einst oberhalb ihres Heimatdorfes im Westen Mexikos wuchsen. Jetzt blickt die 36-Jährige auf riesige Avocado-Plantagen, die die weltweit wachsende Nachfrage nach den grünen Früchten bedienen. Hier im Bundesstaat Michoacan werden ganze Wälder illegal abgeholzt, um Platz für weitere Avocado-Bäume zu schaffen.

Anrainer und Aktivisten sorgen sich, dass der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln Luft und Wasser im größten Avocado-Anbaugebiet der Welt verpestet. "Wir müssen ständig niesen, wenn sie spritzen", klagt Carmona. Die zweifache Mutter arbeitet in einem kleinen Lebensmittelgeschäft in Jujucato nahe Uruapan mitten im Avocado-Gebiet. Auch Salvador Sales, seit 15 Jahren Volksschullehrer in Jujucato, beobachtet zunehmend Atemwegs- und Magenbeschwerden bei seinen Schülern: "Wir glauben, dass diese von den Produkten verursacht werden, die sie in den Avocado-Plantagen versprühen."

40 Prozent aller Avocados

In Mexiko werden rund 40 Prozent aller Avocados weltweit angebaut, die meisten davon im Gebiet um Jujucato und den Zirahuen-See: In ganz Michoacan erstreckt sich der Anbau nach offiziellen Angaben auf rund 137.000 Hektar. Etwa die Hälfte der Plantagen wurde auf Waldflächen gepflanzt, die auf zweifelhafte Weise den Besitzer wechselten, wie Jaime Navia von der Agrar- und Umweltorganisation Gira betont.

Avocado-Boom

Einen ersten Avocado-Boom gab es bereits in den 70er-Jahren, doch erst ab dem Jahr 2000 habe sich der Anbau unkontrolliert in den Wäldern ausgebreitet, sagt Navia. Pro Jahr schreitet die Entwaldung laut Gira um 2,5 Prozent voran - was unter anderem zu einem Temperaturanstieg führt.

Avocados sind reich an Vitaminen, Proteinen und gesunden Fetten und werden zwischen 1,80 und 2,60 Dollar (1,65 und 2,40 Euro) pro Kilogramm gehandelt. Das gemäßigte Klima der Region ermöglicht den ganzjährigen Anbau der beliebten Frucht, die hier erstmals kultiviert wurde.

Der internationale Heißhunger auf Guacamole und Co. ließ die Avocadoproduktion explodieren: Beliefen sich die Exporteinnahmen 2003 nach Angaben des mexikanischen Wirtschaftsministeriums noch auf umgerechnet rund 54 Millionen Euro, waren es 2015 schon 1,36 Milliarden Euro. Hauptabnehmer sind die USA, Mexikos wichtigster Handelspartner. Als die mexikanischen Avocado-Packer vor kurzem für bessere Bezahlung in einen Streik traten, führte der Ausstand zu einem weltweiten Preisanstieg.

Pestizide und Düngemittel

Experten warnen, die eingesetzten Pestizide und Düngemittel gelangten ins Grundwasser sowie in Bäche, Flüsse und Seen. Viele Gemeinden rund um den Zirahuen-See leiden nach Einschätzung von Alberto Gomez Tagle, Umweltexperte der Region, vermutlich bereits unter den Folgen. Ein Dorf rief Wissenschafter zu Hilfe, als bei Einwohnern Leber- und Nierenprobleme auftraten, die vor "Ausdehnung der Avocado-Plantagen und Einsatz aller Arten von Pestiziden" nicht bestanden hätten, berichtet Gomez Tagle.

Drogenclans mischen mit

Das lukrative Geschäft mit den Trend-Früchten hat außerdem die Drogenclans auf den Plan gerufen - schließlich bringt ein Hektar Avocado-Bäume einen Ertrag von rund 4.900 Euro jährlich. Auch die in Michoacan rivalisierenden Banden sind daher im Avocado-Anbau aktiv: Manche Avocado-Farmer in ehemaligen Waldgebieten seien Mitglieder des "organisierten Verbrechens", sagt ein Vertreter des Bundesstaates.

Inzwischen versuchen Behörden, Dorfbewohner und Kleinbauern, weitere Avocadoplantagen in den Wäldern zu verhindern. Seit August beschlagnahmten Sicherheitskräfte rund 100 Hektar illegal genutztes Land und nahmen Dutzende Plantagenarbeiter fest.