Mit der Eröffnung des längsten Eisenbahntunnels der Welt steuert Europa auf eine neue Ära im Schienenverkehr zu. Mit einem "Bahn frei" hatte der Schweizer Bundespräsident Johann Schneider-Ammann am Mittwoch den neuen Gotthard-Tunnel freigegeben.

Auf das Signal hin fuhren zwei Züge mit jeweils 500 Bürgern vom Nord- und Südportal aus in den 57 Kilometern langen Tunnel und waren nach knapp 20 Minuten auf der jeweils anderen Seite. Die als technisches Meisterwerk geltende Konstruktion ist ein ganz zentraler Baustein für das Ziel, den Güterverkehr zwischen der Nordsee und dem Mittelmeer stärker auf die Schiene zu verlagern.

Als "historischen Tag" würdigte Schneider-Ammann die Eröffnung. An der Fertigstellung des "Jahrhundertwerks" hätten mehrere Generationen mitgewirkt. "Es ist ein wichtiger Schritt für die Schweiz, für unsere Nachbarn und den Rest des Kontinents", sagte das Schweizer Staatsoberhaupt.

Hochrangige Festgäste

An den Feierlichkeiten nahmen auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi teil. Merkel sprach von einem "wunderbaren Tag" und lobte die Schweizer Präzision, durch die ein gigantisches Projekt im Zeit- und Kostenrahmen geblieben sei. Daran müsse man in Deutschland noch ein bisschen arbeiten. Außerdem habe der Tunnel in Zeiten, in denen die EU in einer tiefen Krise stecke, eine hohe Symbolkraft für die Einheit des Kontinents. "Ich wünsche mir, dass wir Verbindendes sehen, und dass wir das Verbindende zu nutzen verstehen", sagte die Kanzlerin beim Festakt.

Auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat der Schweiz zur Realisierung eines "außergewöhnlichen Projekts" gratuliert. Das sei nicht nur ein großer Tag für die Schweiz, sondern auch ein großer Tag für Europa. Denn die Schweiz habe eine Infrastruktur geschaffen, von der noch viele Generationen profitieren könnten, sagte Kern in seiner Rede. Die ambitionierte Politik der Schweiz, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, sei eine Investition in die Lebensqualität und in den Umweltschutz. "Und davon werden auch wir als Anrainerstaaten im großem Masse profitieren", sagte Kern.

Das Projekt habe aber nicht nur ökologische und soziale Aspekte. Hier gehe es auch um die Konkurrenzfähigkeit Europas und damit um Arbeitsplätze. Der Gotthard-Tunnel sei Teil des industriellen Erbes Europas. Denn der Kontinent sei entlang der Eisenbahn groß geworden, sagte der Bundeskanzler bei seiner ersten Auslandsreise seit Amtsantritt.

17-jährige Bauzeit

Der in 17-jähriger Bauzeit für umgerechnet rund elf Milliarden Euro (12,2 Mrd. Franken) fertiggestellte Gotthard-Basistunnel ist das Herzstück der "Neuen Eisenbahn-Alpentransversale" (NEAT). Täglich können in den beiden Röhren 240 Güterzüge und 65 Personenzüge verkehren. Der Regelbetrieb startet nach weiteren Testfahrten am 11. Dezember.

Bis zur vollen Auslastung des Tunnels werden aber noch viele Jahren vergehen. Die Zubringerstrecke aus Italien mit dem Ceneri-Basistunnel soll 2020 fertig sein, die deutsche Rheintalstrecke Karlsruhe-Basel wird wohl nicht vor 2035 ausgebaut sein.