Französische Kinder machen es ihren Eltern leicht. Sie waschen sich vor dem Essen die Hände, wissen mit Messer und Gabel umzugehen, haben gute Umgangsformen, sind gut erzogen, höflich und sagen stets „s‘il vous plaît“ und „Merci!“ (Bitte und Danke).

Gutes Benehmen hat in Frankreich seit jeher einen hohen Stellenwert. Auch in anderen Ländern, aber gerade in Frankreich erzielen die Eltern maximale Erfolge bei der Durchsetzung von guten Manieren bei ihren Kindern. Pamela Druckerman, eine US-amerikanische Autorin mit Abschlüssen in Philosophie und Internationalen Beziehungen, die 2017 in Frankreich eingebürgert wurde, mit ihrem Mann in Paris lebt und Mutter von drei Kindern ist, hat sich auf die Suche nach den Gründen gemacht. Und wurde fündig, wie die „Schweizer Illustrierte“ berichtet.

  1. Französische Eltern diskutieren mit ihren Kindern nicht über Umgangsformen - niemals. Da gibt es keinen Spielraum und die Kinder wachsen damit auf. Nicht zu grüßen, nicht Danke zu sagen - das kommt für die Kinder daher auch erst gar nicht infrage. Und in Bussen wird selbstverständlich Älteren der eigene Sitzplatz angeboten, sollte sonst alles besetzt sein.
  2. Französische Eltern müssen früh loslassen - oft schon ab einem Alter von drei Monaten, denn der reguläre Mutterschaftsurlaub dauert bis zehn Wochen nach der Geburt. Betreuungsstätten genießen einen guten Ruf, die Kinder sind früh in Kontakt mit Gleichaltrigen, lernen neue Menschen kennen. Der renommierte Kinderarzt und Buchautor Remo Largo betont in seinen Büchern: „Ein Kind sollte mehrere Stunden pro Tag mit Gleichaltrigen zusammen sein. So lernt es zu sprechen, sich in andere Kinder einzufühlen, sich anzupassen, mit Konflikten umzugehen, Beziehungen zu pflegen und Freundschaften zu schließen.“
  3. Französische Eltern glauben an ihre Kinder. Sie trauen früh zu, Konflikte zu bereinigen, Situationen zu managen und Lösungen zu finden, sei es in der Sandkiste oder in der Familie. Eltern greifen nur im Notfall ein. Druckerman: „Franzosen glauben, dass Kleinkinder nicht hilflose Wesen sind, sondern vernunftbegabte Individuen. Man spricht daher nicht in Babysprache, sondern ganz normal mit ihnen. Man traut dem Kind von Anfang an etwas zu und erzieht sie vom Tag eins an. In vielen westlichen Ländern liegt der Fokus mehr auf Sicherheit und Kontrolle, in Frankreich mehr auf Autonomie. Man leitet die Kinder eher dazu an, etwas allein zu machen.“
  4. Französische Eltern setzen klare Grenzen. Der „Laisser-faire“-Stil, also die Kinder einfach machen lassen, ist die eine Seite der typisch französischen Erziehung. Er findet allerdings innerhalb klar abgesteckter Grenzen statt. Werden Grenzen überschritten, setzt es klare Konsequenzen - Eltern sind nicht die besten Freunde ihrer Kinder, sondern verantwortlich für ihr Wohlbefinden und ihre Erziehung.
  5. Französische Kinder essen nicht alles - aber die Eltern kommen ihren Essenswünschen nicht extra nach. Es gibt, was auf den Teller kommt. Französische Kinder essen, was auch die Erwachsenen verspeisen. Keine Kindermenüs, keine Spezialwünsche. Auch Snacks und Zwischenmahlzeiten sind viel weniger etabliert als beispielsweise in Österreich.
  6. Französische Eltern halten die Familienzeit hoch. Sonntage gelten klar als Familientage - da gibt es keine Treffen mit Freunden, sondern Eltern und Kinder verbringen gemeinsam Qualitätszeit.

Alles in allem keine Hexerei - doch steht und fällt vieles mit einer gelungenen, hochwertigen und vertrauenswürdigen Fremdbetreuung, die leider in vielen Ländern Europas keineswegs gewährleistet ist.