Im Idealfall dauert es eine halbe Stunde per Taxi und etwa doppelt so lang mit den Öffis, um von einem der New Yorker Flughäfen aus Manhattan zu erreichen. Doch weil Idealfälle im chronisch verstopften Straßennetz der Millionenstadt rar sind, läutet man im Big Apple eine neue Zeit ein. Bald schon sollen elektrobetriebene Luft-Taxis Menschen und Waren durch den Himmel der Metropole befördern.

Dass es sich hierbei um keine „Luftnummer“ handelt, stellte man Mitte November eindrucksvoll zur Schau. Von einem Hubschrauberlandeplatz an Manhattans Südspitze hoben erstmals zwei überdimensionierte Drohnen der Unternehmen Joby und Volocopter ab und drehten ein paar Runden über den East River. Bürgermeister Eric Adams, der kurz zuvor in FBI-Ermittlungen verwickelt wurde, kam der Wohlfühl-Termin gelegen. „Wir dürfen keine Angst vor der Zukunft haben“, sagte der 63-jährige Demokrat den Pressevertretern.

Bis zu 320 Stundenkilometer schnell

Das Lufttaxi von Joby bietet einem Piloten sowie vier Passagieren Platz. Sechs strombetriebene Rotoren stehen vom Rumpf ab, davon zwei neigbar. Dadurch startet das „eVTOL“ (electric Vertical Take-Off and Landing aircraft) von Tüftler und Visionär JoeBen Bevirt senkrecht in die Höhe und beschleunigt dann auf bis zu 320 Stundenkilometer. In Zusammenarbeit mit Delta Airlines strebt Joby an, Fluggäste innerhalb von sieben Minuten aus der Innenstadt an das jeweilige Terminal des Linienfliegers zu befördern, beziehungsweise die Zeit vom Ausstieg bis zum anstehenden Meeting drastisch zu verkürzen.

Auch das zweite vorgestellte Fluggerät des Herstellers Volocopter aus dem süddeutschen Bruchsal erinnert nur an ansatzweise an einen klassischen Hubschrauber. Der Zweisitzer sieht aus, als hätte man einer Libelle das Hinterteil abgeschnitten und ein ringförmiges Geweih aufgesetzt, auf dem 18 Propeller thronen. Doch der gewöhnungsbedürftigen Optik zum Trotz erklärt Finanz- und Vertriebschef Christian Bauer, dass man für ein weit höheres Maß an Sicherheit sorgt als bisher. „Ein herkömmlicher Helikopter hat normalerweise nur einen Motor. Tritt ein mechanisches Problem auf, stürzt man ab.“ Der Defekt eines Propellers wäre hier leicht zu kompensieren.

Heliport statt Taxistand

Die größten Unterschiede zu mit Flugbenzin oder Kerosin betriebenen Helikoptern sind allerdings nicht nur Sicherheitsaspekte sowie das Ausbleiben klimaschädlicher Abgase, sondern auch die verringerte Lautstärke. „Sie hören den 300 Meter entfernten Heli-, aber nicht den nur 100 Meter entfernten Volocopter“, sagt Bauer mit bescheidenem Stolz. „Wenn E-Flugzeuge voll einsatzfähig sind, wird die Allgemeinheit davon profitieren.“

Im Gegenzug dafür sollen bisher verwehrte Flug- und Landelizenzen in dichter besiedelten Gegenden eingeholt werden können. Einkaufszentren, Hotels und andere Einrichtungen könnten Freiflächen zur Verfügung stellen, die als Haltestellen fungieren. Rufen wird man auch das Lufttaxi per App. An die Stelle eines Taxistandes sollen aber Hubs wie der Manhattaner Heliport treten, auf denen die Flotten parken können und gewartet werden.

Der am Wasser gelegene Knotenpunkt ist auch für eine erweiterte grüne Strategie entscheidend. Um Lastwagen von den Straßen zu holen, wird auch der Warentransport mit elektrobetriebenen Booten und Lastenrädern in den Plan eingewoben. Der Dreiklang aus klimaneutraler Beförderung über Luft, Wasser und Asphalt könnte damit für die dringend nötige Entlastung der Straßen sorgen.

Voraussetzung dafür ist allerdings ein attraktiver und wettbewerbsfähiger Preis. Ein realistisches Ziel, zahlt man denn derzeit knapp 65 Euro, um aus Downtown zum Flughafen zu gelangen – zuzüglich Stauzuschlägen. Losgehen soll es nach Erteilung aller notwendigen Genehmigungen in knapp zwei Jahren.

Ob sich, wie von Bürgermeister Adams in Aussicht gestellt, bewahrheitet, dass viele New Yorker bald einen eigenen E-Helikopter ihr Eigen nennen, bleibt allerdings fraglich. Dafür mangelt es im Hochhausdschungel möglicherweise doch zu sehr an geeigneten Parkplätzen.