„Die ganze Zeit hatten wir das Gefühl, der Tod steht neben uns“, erzählt Deepak Kumar. Mehr als zwei Wochen waren er und 40 weitere Bauarbeiter in einem teilweise eingestürzten Straßentunnel im indischen Himalaya-Staat Uttarakhand eingeschlossen und mussten erleben, wie ein Bergungsversuch nach dem anderen scheiterte. Nach ihrer dramatischen Rettung am Dienstag ist die Erleichterung groß, und die Betroffenen beschreiben das bange Warten im Tunnel.

Während des Schichtwechsels am frühen Morgen des 12. November war der im Bau befindliche Tunnel teilweise eingestürzt – 41 Bauarbeiter schafften es nicht mehr rechtzeitig raus. Er habe einen dumpfen Schlag gehört, dann seien auch schon erste Trümmer herabgestürzt, erzählt Chamra Oraon der Zeitung „Indian Express“. „Ich rannte um mein Leben, leider in die falsche Richtung.“

Als ihnen bewusst wurde, dass sie so rasch nicht mehr aus dem Tunnel herauskommen würden, wurden sie immer unruhiger, erzählt der 32-Jährige weiter, den es wie die meisten seiner Schicksalsgenossen auf der Suche nach Arbeit hunderte Kilometer von seiner Familie entfernt auf die Tunnelbaustelle verschlagen hatte. „Wir wurden hungrig – und beteten im Stillen um Hilfe.“

Die ersten 24 Stunden waren die schlimmsten

Die ersten 24 Stunden nach dem Einsturz seien für ihn am schlimmsten gewesen, erzählt Subodh Kumar Verma. Sie hätten Angst gehabt, zu verhungern – oder dass ihnen die Atemluft ausgeht. Dann gelang es den Rettungsteams, die Verschütteten durch ein dünnes Rohr mit Sauerstoff und Trockennahrung zu versorgen. Ihre Stimmung habe sich daraufhin schon deutlich gehoben, sagt Verma.

Über Funk konnten sich die 41 Arbeiter mit den Bergungsteams verständigen. Später wurde das schmale Rohr durch ein etwas größeres ersetzt, durch das warmes Essen in Flaschen und eine endoskopische Kamera geschickt werden konnte. „Nach dem ersten Bissen kam es uns vor, als hätte uns jemand von oben eine helfende Hand gereicht“, erzählt Oraon.

Er und seine Kollegen harrten in einem fast neun Meter hohen und zwei Kilometer langen Hohlraum aus. Die Zeit vertrieben sie sich mit Spielen auf ihren Handys – der Strom funktionierte noch – sowie mit Gesprächen. „Wir lernten uns sehr gut kennen“, sagt Oraon.

Doch immer neue Rückschläge bei dem Versuch, mit Spezialbohrern eine Rettungsröhre durch den Schutt und die Trümmer zu legen, stellten die Verschütteten und ihre Familien auf eine harte Geduldsprobe. Zwar ermöglichten die Rettungsteams telefonischen Kontakt zwischen den 41 Arbeitern und ihren Angehörigen. Deren wachsende Verzweiflung half ihnen aber nicht unbedingt.

Ich sagte meiner Familie: „Mir geht es gut und ich bin gesund, macht euch keine Sorgen, alles wird gut, wir kommen bald wieder raus“, berichtet Deepak Kumar. „Aber während ich das sagte, überkam mich manchmal das starke Gefühl, dass ich meine Eltern nicht wiedersehen würde.“

„Noch schwieriger war es für unsere Familien“

Ähnlich ging es Kumars Kollegen Sabah Ahmad. Es habe ihm das Herz gebrochen, die „besorgte und hoffnungslose“ Stimme seiner Frau zu hören, erzählt der Wanderarbeiter aus dem 870 Kilometer entfernten Bihar, einem der ärmsten Bundesstaaten Indiens. „Für uns war es schwierig – noch schwieriger aber war es für die Familien draußen.“

Zum Schluss fehlten nur noch neun Meter zu den Verschütteten, als der Spezialbohrer seinen Geist aufgab. In mühseliger Handarbeit arbeiteten sich auf die sogenannte „Rattenloch-Technik“ spezialisierte Teams schließlich Stück für Stück durch Erde und Trümmer zu den Eingeschlossenen vor. Am späten Dienstag hatten sie es geschafft.

„Für uns ist die Welt wieder wunderschön“, sagt Sabah Ahmad. Seine Frau Musarrat Jahan sagt am Telefon aus Bihar, sie könne ihr Glück nicht in Worte fassen: „Nicht nur meinem Mann wurde ein neues Leben geschenkt, sondern auch uns“, fügt die dreifache Mutter hinzu.