Die Frauen im Iran haben offenbar die Nase voll: Trotz großer Gefahr für Leib und Leben halten die Proteste an. In den vergangenen Tagen strömten wieder Tausende Menschen in zahlreichen Städten auf die Straßen Irans. Neben regierungskritischen Slogans wurde immer öfter gerufen: "Wir kämpfen, wir sterben, wir werden uns den Iran zurückholen." Sogar in der erzkonservativen Stadt und dem schiitischen Zentrum Ghom demonstrierten junge Menschen gegen die islamischen Kleidungsvorschriften. Es kam zu mehreren Verhaftungen, wie die Nachrichtenagentur "Fars" berichte. Auch in der Türkei und anderen Ländern protestierten iranische Frauen vor den Botschaften Irans.

Auslöser der Proteste ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Sie war vor gut einer Woche von der Sittenpolizei wegen ihres "unislamischen Outfits" festgenommen worden. Was genau mit Amini nach ihrer Festnahme geschah, ist unklar, jedenfalls fiel sie ins Koma und starb am Freitag in einem Krankenhaus. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben.

Auch auf der Urlaubsinsel Kish im Persischen Golf, die als besonders ruhig gilt, wurden in den sozialen Medien Videos mit Protesten geteilt. Videos in den sozialen Medien, deren Echtheit nicht verifiziert werden konnten, zeigten, wie Demonstranten Sicherheitskräfte verprügelten oder wie Frauen ihre Kopftücher in Brand steckten. Der Gouverneur der iranischen Provinz Kurdistan hatte am Dienstag drei tote Demonstranten gemeldet – wies aber ein Einwirken durch Sicherheitskräfte zurück. Laut Behörden kam auch ein Polizist bei Zusammenstößen ums Leben.

Auch häufen sich im Land Stimmen, die eine Lockerung der strengen Kleidungsvorschriften und damit einen Kurswechsel der Regierung fordern. "Ein Gesetz, das die Mehrheit der Gesellschaft nicht befolgt, muss revidiert werden", sagte der ehemalige Bürgermeister der Hauptstadt Teheran und Herausgeber der Tageszeitung "Ham Mihan", Gholam Hussein Karbastschi (69), in einem Interview am Mittwoch. Elias Hasrati, ehemaliger Abgeordneter und Chef der Zeitung "Etemad", forderte in einem Schreiben an Präsident Ebrahim Raisi die sofortige Auflösung der Sittenpolizei-Einheiten.

Die Behörden versuchen die Protestwelle auch digital zu unterdrücken. Instagram wurde als eines der letzten freien sozialen Netzwerke nach den landesweiten Protesten stark eingeschränkt. Live-Metriken zeigten bei allen großen iranischen Internet-Providern Störungen, berichtete die Organisation NetBlocks am Mittwoch. Bereits in der Vergangenheit wurde das Internet im Iran bei Protesten stark eingeschränkt. Experten befürchten, dass Polizei und Sicherheitskräfte die Demonstrationen niederschlagen werden.