Sie ließen sich als junger Mann in der kommunistischen Tschechoslowakei im Geheimen zum Priester weihen: Warum?
TOMÁŠ HALÍK: Theologisch gesehen ist die Berufung zum priesterlichen Dienst ein Geschenk Gottes. Aus psychologischer Sicht gibt es für so eine Entscheidung immer eine Reihe von bewussten und unbewussten, reifen und weniger reifen Motiven. Es ist schwierig, diese beiden Ebenen zu trennen. In einer Zeit, in der die Kirche durch das kommunistische Regime stark verfolgt und manipuliert wurde, fühlte ich mich ganz besonders zum Dienst in einem Umfeld berufen, das ich von Kindheit an durch meine Familie gut kannte – in der akademischen Welt, unter Studenten, Intellektuellen und Künstlern. Öffentliche akademische Seelsorge, insbesondere die Seelsorge mit Studenten, war damals in der Tschechoslowakei undenkbar und streng verboten. Es gab nur einen Weg – Untergrund. Heimliches Theologiestudium und heimliche Ordination, in meinem Fall in der Privatkapelle des Bischofs in Erfurt in der DDR.