Die Waldbrände haben den Zorn in ihnen entfacht. 2017 starben in Portugal mehr als 60 Menschen, als die Erde nicht aufhören wollte zu glühen. 20.000 Hektar Land wurden ausgelöscht. Es war der Punkt, an dem die Geschwister Mariana, Claudia und Martin Duarte, Andre und Sofia Oliveira sowie Catarina Mota – sechs junge Menschen zwischen elf und 24 Jahren – laut Selbstaussage entschieden, zu kämpfen. Wenn nötig auch vor Gericht.

Die von sechs Kindern und Jugendlichen eingereichte Klimaklage wurde am Mittwoch in Straßburg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verhandelt
Die von sechs Kindern und Jugendlichen eingereichte Klimaklage wurde am Mittwoch in Straßburg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verhandelt © (c) AP (Jean-Francois Badias)

Klage gegen 32 Länder

Und tatsächlich: Gestern begann vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die größte Klimaklage der Geschichte. Der Vorwurf der Jungen: Die bisherige Klimapolitik missachte die Menschenrechte. Geklagt wurden alle EU-Staaten, Norwegen, die Türkei, die Schweiz, Großbritannien und Russland.

Oliver Ruppel, Leiter des Forschungszentrums für Klimaschutzrecht in Graz
Oliver Ruppel, Leiter des Forschungszentrums für Klimaschutzrecht in Graz © kk

Der Prozess ist außergewöhnlich. Nicht nur wegen des Alters der Klagenden. 80 Anwälte sitzen aufseiten der Regierungen, lediglich sechs vertreten die Jugendlichen. Gewinnen diese, könnte der EGMR sämtliche Länder in die Pflicht nehmen, ihre Treibhausgasemissionen zu verringern.
Doch wie die Chancen für die Kläger stehen, ist schwierig zu prognostizieren. Umweltrechtliche Fragen haben bisher nämlich keine große Rolle vor dem EGMR gespielt. Doch "dass eine derartige Klage überhaupt dort landet, ist schon besonders", betont Oliver Ruppel, Leiter des Forschungszentrums für Klimaschutzrecht in Graz. "Der Fall hat großes Potenzial, künftig die Art und Weise zu bestimmen, wie Nationalstaaten mit Klimafragen umgehen. Künftigen Klägern könnte das auf nationaler Ebene die Argumentationsgrundlage erleichtern". Paul Gragl, Professor für Europarecht an der Uni Graz, betont die Brisanz: "Verfahrensrechtlich hat der EGMR den Antrag beschleunigt behandelt und sofort der Großen Kammer zugewiesen. Das spricht dafür, dass er sich der Tragweite des Falls bewusst ist".

Paul Gragl, Professor für Europarecht an der Uni Graz
Paul Gragl, Professor für Europarecht an der Uni Graz © Uni Graz/Pichler

"Kleine Erfolgschancen"

Gragl schätzt die Chancen auf einen juristischen Sieg aber als "klein" ein. Ein Recht auf saubere Umwelt beinhalte die Menschenrechtskonvention nicht. Doch gäbe es gewisse Rechte auf Umweltschutz in anderen Artikeln. Die Jugendlichen würden sich zum Beispiel auf Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) stützen. Darüber hinaus sehen die Kläger auch ihr Recht auf Leben gefährdet.

Bei der Anhörung wiesen die Anwälte der Regierungen die Klage zurück. "Die bisher beobachteten Auswirkungen des Klimawandels scheinen sich nicht direkt auf das Leben oder die Gesundheit der Menschen auszuwirken", lautet etwa die Position Griechenlands. Der Vertreter Portugals meinte, der behauptete Schaden sei "zu abstrakt". Ob das die Richter ähnlich sehen, wird sich erst im kommenden Jahr zeigen. Da wird nämlich ein Urteil in dem Fall erwartet.

Mit ihrer Klage sind die Jugendlichen übrigens nicht alleine. So fordern die sogenannten "Klimaseniorinnen Schweiz" in diesem Jahr ebenfalls vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mehr Klimaschutz ein. Und auch ein französischer Bürgermeister ist für die Einhaltung der Pariser Klimaziele vor den EGMR gezogen.