Es war ein Jubiläum nach dem Geschmack Pekings: Ungestört von Demonstrationen zelebrierten Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und seine Gefolgsleute am Freitag in Hongkong den 25. Jahrestag der Rückgabe der einstigen britischen Kronkolonie an China. Das zweite Jahr in Folge marschierte die Ehrengarde bei der Fahnenzeremonie nicht nach britischer Art, sondern im Stechschritt chinesischer Soldaten. Hongkongs Demokratiebewegung hatte dagegen erneut nichts zu feiern.

An einen Protestmarsch, wie früher am 1. Juli üblich, war nicht zu denken. Vor Versammlungen hatten die Behörden eindringlich gewarnt. Polizisten patrouillierten in großen Teilen der Innenstadt.

Ein Land, zwei Systeme?

Seit der Rückgabe an China am 1. Juli 1997 sollte Hongkong eigentlich unter dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme" regiert werden. Auch bekamen die Hongkonger seinerzeit die Zusage, bis 2047 ein "hohes Maß an Autonomie" und viele politische Freiheiten genießen zu können. Als Reaktion auf anhaltende Proteste gegen die Regierung führte Peking jedoch vor zwei Jahren ein strenges "Sicherheitsgesetz" in der Finanzmetropole ein und schlug die Demokratiebewegung nieder.

Wie zufrieden Xi Jinping mit dem Ergebnis ist, machte er bereits am Vortag kurz nach seiner Ankunft deutlich. Die Metropole habe "große Herausforderungen" gemeistert und sei "aus der Asche auferstanden", sagte der chinesische Staatschef bei seinem ersten Besuch seit fünf Jahren. Hongkong genieße seit der Rückgabe an China "wahre Demokratie", führte der Präsident dann in einer weiteren Rede am Freitag aus, in der er sich auch hinter das Regierungssystem "Ein Land, zwei Systeme" stellte. Dieses müsse jedoch "korrekt" umgesetzt werden. Auch unterstrich der Präsident erneut, dass Hongkong ausschließlich von "Patrioten" regiert werden könne.

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Repressive Maßnahmen

Kritische Beobachter zeichnen ein anderes Bild der Lage. Seit dem Erlass des umstrittenen "Sicherheitsgesetzes" reden viele nur noch von "Ein Land, ein System". Hongkong habe in den vergangenen zwei Jahren "einen Schlag nach dem anderen" erlebt, sagte Katja Drinhausen vom China-Institut MERICS in Berlin.

Verhaftungen von Aktivisten und Oppositionspolitikern, Wahlrechts- und Bildungsreformen und die Auflösung von liberalen Medien und zivilgesellschaftlichen Organisationen seien nur die wichtigsten Beispiele. "Peking sieht sich auf jeden Fall bestätigt in seinem eingeschlagenen Kurs und wird die Hongkonger Regierung bestärken, weitere repressive Maßnahmen einzuleiten", meinte Drinhausen.

Noch vor drei Jahren hatten regelmäßig Hunderttausende auf den Straßen protestiert. Bilder von gewaltsamen Auseinandersetzungen gingen um die Welt. "Jetzt ist zumindest oberflächlich Ruhe eingekehrt – und die chinesische Regierung will sicherstellen, dass dies auch so bleibt", sagte Drinhausen.

USA spricht von "Erosion der Autonomie"

Kritik kam u.a. auch von den USA: Außenminister Antony Blinken prangerte eine "Erosion der Autonomie" an. Es sei jetzt klar, dass die Verantwortlichen in Hongkong und Peking "demokratische Partizipation, Grundfreiheiten und unabhängige Medien" nicht mehr als Bestandteil des Grundsatzes "Ein Land, zwei Systeme" ansehen würden. Blinken sprach den Bewohnern Hongkongs die "Solidarität" der USA aus. Die den Menschen versprochenen Freiheiten müssten wiederhergestellt werden.

Perfekt in Xi Jinpings Bild eines stabilen Hongkong passt John Lee, den er am Freitag als neuen Regierungschef vereidigte. Der ehemalige Sicherheitschef der Stadt gilt als treuer Gefolgsmann Pekings. Das "Sicherheitsgesetz" sowie "Verbesserungen" im Wahlsystem hätten Hongkong "vom Chaos zum Wohlstand" gebracht, sagte Lee in seiner Antrittsrede. Er gelobte, die Integration der Stadt mit Festlandchina weiter voranzubringen.

Düster ist die Stimmung nicht nur bei Hongkongs Demokratiebewegung. Auch für viele Unternehmen ist die Metropole nicht mehr das, was sie einmal war. So klagen ausländische Handelskammern über die Coronamaßnahmen, die ähnlich strikt sind wie auf dem chinesischen Festland.

Ohne langwierige Hotel-Quarantäne sind Reisen in die einst freiste Wirtschaftsmetropole der Welt nicht mehr möglich. Auch kommen Hongkonger nicht ohne Quarantäne auf das chinesische Festland. Zumindest für Präsident Xi Jinping galten diese Regeln nicht. Um ihn und seine Frau Peng Liyuan während der Feierlichkeiten vor dem Virus zu schützen, mussten sich stattdessen die rund 3000 Hongkonger Gäste vorher isolieren.