Wie seine Familie bekannt gab, ist der deutsche Soziologe, Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Hans Albert heute, am 24. Oktober 2023, im Alter von 102 Jahren verstorben. Am 8. Februar 1921 in Köln als Sohn eines Studienrates für Latein und Geschichte geboren, studierte er Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln, wo er auch mit ökonomiekritisch-soziologischen Arbeiten promovierte und sich in Sozialpolitik habilitierte. Von 1963 bis 1989 hatte er als Nachfolger von Eduard Baumgarten, eines Neffen Max Webers, einen Lehrstuhl für Soziologie und Wissenschaftslehre an der Universität Mannheim inne.

Hans Albert gilt neben Karl Popper als einer der bedeutendsten Vertreter des Kritischen Rationalismus. Einer seiner zentralen Beiträge dazu besteht in dem von ihm sogenannten „Münchhausen-Trilemma“, das eine Kritik des klassischen Begründungsdenkens enthält. Damit leistete er einen zentralen Beitrag zur Überwindung des dogmatischen Rationalismus mit seinem Gewissheitsideal, gegen das er die Fehlbarkeit der menschlichen Vernunft (Fallibilismus) in allen Bereichen der Erkenntnis vertrat.

Popper, Adorno, Habermas

International bekannt wurde er vor allem mit dem sogenannten „Positivismusstreit“, in dem sich die kritischen Rationalisten Karl Popper und Hans Albert mit den beiden Vertretern der Kritischen Theorie, Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas, auseinandersetzten. Neben Hans Alberts bedeutendstem Werk „Traktat über kritische Vernunft“ (1968) zählen sein „Traktat über rationale Praxis“ (1978), die „Kritik der reinen Erkenntnislehre“ (1987) sowie seine „Kritik der reinen Hermeneutik“ (1994) zu seinen wichtigsten Publikationen. Aufsehen erregte seine Auseinandersetzung mit dem Theologen Hans Küng in dem 1979 erschienenen Band „Das Elend der Theologie“ sowie seine 2008 erschienene Kritik der theologischen Positionen Papst Benedikts XVI., „Joseph Ratzingers Rettung des Christentums“. Starke Resonanz fand auch sein in zwei Bänden 2008/2009 erschienener Briefwechsel mit dem Philosophen Paul Feyerabend, mit dem er eng befreundet war.

Lange Jahre war Hans Albert wissenschaftlicher Hauptberater des Europäischen Forums Alpbach Tirol/Österreich, welches er programmatisch prägte. Viele bedeutende Wissenschaftler wie die Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek, James Buchanan und Konrad Lorenz und Philosophen wie Karl Popper, Imre Lakatos, Paul Feyerabend und Alan Musgrave führte er in dem kleinen Tiroler Bergdorf zum kritischen Austausch zusammen.

Ehrendoktor in Klagenfurt und Graz

Hans Albert war Ehrendoktor der Universitäten Linz, Athen, Kassel, Graz und Klagenfurt sowie gewähltes Mitglied der Academia Europaea und der Accademia delle Scienze di Torino. Zu seinen Auszeichnungen zählen der Ernst-Hellmut-Vits-Preis, der Arthur-Burkhardt-Preis, das Ehrenkreuz für Kunst und Wissenschaft I. Klasse der Republik Österreich, das Bundesverdienstkreuz (I. Klasse) sowie der Tiroler Adler-Orden in Gold. Zu seinem 99. Geburtstag wurde das Hans-Albert-Institut mit Sitz in Oberwesel eröffnet, ein Thinktank zur Förderung des kritisch-rationalen Denkens in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.