Herr Akin, ist "Soul Kitchen", ab Freitag bei uns in den Kinos zu sehen, nicht irgendwie auch ein Märchenfilm?

FATIH AKIN: Ja, vielleicht. Immerhin starten wir zu Weihnachten, ich lasse Louis Armstrong singen, und am Ende wendet sich alles zum Guten.

Ihre offizielle Bezeichnung ist aber "Heimatfilm der neuen Art". Was bedeutet Ihnen Heimat?

AKIN: Heimat muss nicht unbedingt mit dem Ort verbunden sein, an dem man geboren ist und wo man einen großen Teil seines Lebens verbracht hat. Ich liebe zum Beispiel New York, und ich finde es lustig, wenn du einen dortigen Taxler fragst, woher er kommt. Er wird antworten: "Aus New York." Dabei stammt er aus Bangladesch.

"Soul Kitchen" spielt aber in Ihrer echten Heimat Hamburg?

AKIN: Die wirkliche Heimat ist in diesem Fall jedoch ein Restaurant. Die Geschichte beschäftigt mich schon lange. Die ersten Helden meiner Filme waren Eierdiebe, das ging dann bis zum Germanistikprofessor, und jetzt ist es ein junger Restaurantbesitzer. Sehr authentisch, denn mein Darsteller Adam Bousdoukos hatte zehn Jahre lang wirklich eines.

In "Soul Kitchen" wird viel gegessen. Was bedeutet Ihnen essen?

AKIN: Na gut, habe ich mich jetzt ein halbes Jahr meines Lebens mit dem Essen beschäftigt, das nächste halbe Jahr wird es Sex sein. Aber in beiden Fällen geht es letztendlich um Menschen. Die pflanzen sich fort, und dafür müssen sie essen.

In "Soul Kitchen" ist noch einmal die inzwischen verstorbene Monica Bleibtreu zu sehen. . .

AKIN: Menschen werden geboren und sterben. Wir müssen lernen zu trauern, aber auch, dass das Leben weitergeht. Unbarmherzig weitergeht. Ich hatte eigentlich vor, mit Monica am Theater zu arbeiten. Schön, dass sich wenigstens dieser Film ausging.

Hat Hollywood noch nicht bei Ihnen angeklopft?

AKIN: Doch. Aber Studioprojekte mit einem Budget von 70 Millionen Dollar interessieren mich nicht. Ich möchte weiterhin eigene Drehbücher verfilmen, andere lese ich meistens gar nicht.

Beides probiert - was ist denn nun schwieriger, ein Drama oder eine Komödie?

AKIN: Die Komödie. In jeder Hinsicht, weil sie sehr viel mit Disziplin, Gesetzen und haargenauem Timing zu tun hat. Beim Drama lässt du die Kamera laufen und sagst: "Und nun, Frau Schygulla, leiden sie mal. . ."

Glauben Sie, dass sich Ihre türkischen Wurzeln in Ihrer Kreativität ausdrücken?

AKIN: In der Form des Erzählens vielleicht, in der südländischen Haltung den Figuren gegenüber. Doch ich liebe Ingmar Bergman und ganz speziell den italienischen Neoverismo.

Sie sind nicht zur Schweizer Premiere von "Soul Kitchen" gefahren, eine Protestaktion gegen die Minarett-Entscheidung.

AKIN: In einem offenen Brief habe ich alles gesagt: Dieser Volksentscheid widerspricht meinem Verständnis von Humanismus, Toleranz und dem Glauben daran, dass ein harmonisches Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Rasse und Religion möglich sein muss. Da ich ein Kind moslemischer Eltern bin, die in Minaretten keinen politischen Islam, sondern lediglich die vollständige Architektur ihrer Gotteshäuser sehen, fühle ich mich durch diesen Volksentscheid auch persönlich betroffen.