"Straßen? Wo wir hinfahren, brauchen wir keine Straßen.“ Emmett Brown, der Doc aus dem Film „Zurück in die Zukunft“ verzieht keine Miene, als er sich die verspiegelte Sonnenbrille richtet und seine Besatzung auf den anstehenden Trip in das ferne Jahr 2015 einschwört. Dann erhebt sich der DeLorean DMC-12 wie von Zauberhand in die Höhe, klappt die Räder ein und fliegt so selbstverständlich davon, als wären Flugautos, die noch dazu ihre Energie aus Hausmüll gewinnen, das Normalste der Welt.

Die nicht ganz ernst gemeinte Vision aus dem Jahre 1985 greift einen uralten Wunsch der autofahrenden Menschheit auf, den jeder kennt, der schon einmal ewig im Stau gestanden ist: den der fliegenden Autos. Seit der Erfindung des Automobils wird auch daran getüftelt, es von seinen vier Rädern in die Lüfte zu bewegen. Und alle paar Jahre wagen es findige Tüftler und Geschäftsleute, die nahende Serienproduktion zu versprechen. Doch jetzt, mehr als zwei Jahre nach Doc Browns Ankunft, gibt es gleich vier völlig unterschiedliche Projekte, die allesamt ernstzunehmender sind als jeder Versuch zuvor.

Italdesign Pop.Up: Kanzelflug. Erstmals stürzt sich auch einer der ganz großen Flugzeughersteller auf dieses Thema. „Pop.Up“ heißt das Projekt von Airbus, das gemeinsam mit der italienischen Designschmiede Italdesign entwickelt wurde. Im Grunde handelt es sich dabei nicht um ein Auto mit Flügeln, sondern um eine Art Kabine, die je nach Bedarf an ein Fahrgestell oder ein Flugmodul mit acht Rotoren gekoppelt werden kann. Diese Art Glaskuppel ist mit 2,6 Meter Länge und 1,4 Meter Höhe groß genug, um zwei Personen bequem Platz zu bieten. Das mag ein wenig kompliziert für den Alltag klingen, aber auch dafür haben Airbus und Italdesign eine interessante Lösung: Über eine Smartphone-App konfigurieren die Passagiere ihre Reise. Auf Basis von Zeitplanung, Verkehrsaufkommen und Kosten errechnet das Fahrflugzeug dann die optimalste Fortbewegungsvariante.

Dass die Insassen als Passagiere bezeichnet werden, hat übrigens seinen tieferen Grund: Pop.Up fliegt nämlich autonom, was in diesem Fall aber durchaus einen Vorteil hat. Somit braucht man keine Pilotenlizenz, der B-Führerschein reicht. In Anbetracht der Tatsache, dass Autos derzeit aber nicht einmal zweidimensional selbstständig unterwegs sein können, ist dieses Vehikel vorerst natürlich noch reine Zukunftsmusik.

PAL-V: Hybridrotor. Ganz anders das zweite Projekt des niederländischen Unternehmens PAL-V. Sein Flugauto ist nicht mit unterschiedlichen Modulen zu bestücken, sondern vertraut auf eine kombinierte Bauweise. Nüchtern betrachtet, handelt es sich hierbei also um einen Tragschrauber mit Scheinwerfern, Blinkern und Straßenzulassung, der seinen Rotor mit elf Meter Spannweite erst dann ausklappt, wenn er benötigt wird. Das mag nicht ganz so futuristisch sein wie das Konzept von Airbus, dafür haben PAL-V-Gründer Robert Dingemanse und sein Entwicklungschef Mike Stekelenburg das Projekt in den letzten fünf Jahren bis zur Serienreife getrieben. Vorbestellen kann man bereits jetzt, Ende 2018 sollen die ersten Exemplare ausgeliefert werden, und die Eckdaten hören sich tatsächlich ziemlich vielversprechend an: Ein 100-PS-Benzinmotor sorgt für 160 km/h Höchstgeschwindigkeit zu Lande, einer mit 200 PS für 180 km/h in der Luft. Wer sich bei Tempo 140 einbremst, kommt bei einer maximalen Flughöhe von 3500 Metern mit 26 Litern Sprit pro Stunde aus. Bei dem verbauten 100-Liter-Tank ergibt es eine Reichweite des 900 Kilogramm schweren Gefährts von 1300 Flugkilometern. Ach ja, auf dem Boden benötigt der Tragrotorwagen keine neun Sekunden für den Sprint von null auf 100 km/h und soll sich mit einem Verbrauch von 7,6 Litern zufriedengeben.

Wer jedoch glaubt, direkt aus dem Stauende senkrecht in die Lüfte aufsteigen zu können, der irrt: So dauert es zuerst fünf bis zehn Minuten, die Rotoren auszufahren. Und da es sich bei dem Vehikel ja um keinen Hub-, sondern um einen Tragschrauber handelt, benötigt er auch eine Start- und Landebahn. Die Rotorblätter werden nämlich nicht von einem Motor angetrieben, sondern setzen sich erst durch den Fahrtwind in Bewegung. Das erledigt ein 200 PS starker Benzinmotor über eine Art Propeller, den sogenannten Schubrotor.

50 km/h und 330 Meter Anlauf genügen zum Starten, zum Landen sogar nur 30, was sich jetzt nicht nach viel anhört. Dennoch benötigt der PAL-V für diese Manöver offizielle Landebahnen. Autobahnzubringer gehören jedenfalls nicht dazu, was die Nutzung natürlich gehörig einschränkt. Aber andererseits hat Dingemanse ohnehin nur sehr liquide Firmen als Zielgruppe im Auge, für die Zeit wichtiger ist als Geld. Denn die 500.000 Euro Stückpreis müssen erst einmal wieder hereingefahren, Pardon, -geflogen werden. Und eine Fluglizenz benötigt man außerdem.

Aeromobil 4.0: Was lange währt ... Stolze 1,5 Millionen Euro kostet der Dritte im Bunde, das Aeromobil 4.0. Der hohe Stückpreis ist kein Wunder, dauert die Entwicklung ja schon stolze 27 Jahre. Firmenchef Juraj Vaculík und Konstrukteur Stefan Klein haben sich für ihr jüngstes Werk Experten aus der Flug- und aus der Autoindustrie geholt, und sie sind nicht verlegen, mit Superlativen zu werben. Man habe die Grenzen des Möglichen neu definiert, meint Vaculík über sein Flugauto, das zunächst in einer Kleinserie von 500 Stück auf den Markt kommen soll. Und wieder geht er das Thema völlig anders an als die Konkurrenz aus Frankreich und den Niederlanden. Er kombiniert nämlich ein Kfz mit einem Kleinflugzeug.

Auf der Straße lässt es sich ganz einfach mit Normalbenzin betreiben, ist sechs Meter lang und mit eingeklappten Flügeln auf einem normalen Parkplatz zu parken.

160 km/h gibt auch Vaculík als Höchstgeschwindigkeit an, die dank eines Hybridantriebs erreicht werden sollt. Aber das ändert sich alles, wenn man die Flügel innerhalb von zehn Minuten einmal ausgeklappt hat.

Dann ermöglichen eine Spannweite von 8,8 Metern und ein Propeller am Heck eine Reisegeschwindigkeit von 360 km/h und eine Reichweite von 750 Flugkilometern. Es ist zwar gut zu wissen, dass bereits 130 km/h reichen, damit sich das Aeromobil in die Lüfte erhebt. Nur darf man das auch nicht kurzfristig auf der A2, sondern benötigt zumindest eine abgesperrte und vor allem brettebene Wiese. Also wieder nichts mit dem Traum, einfach über jeden Stau hinwegzufliegen.

Jedenfalls ist die Zeit des Bastelns und Probierens in dieser uralten – im wahrsten Sinne des Wortes – Start-up-Branche definitiv vorbei. Das zeigt sich auch an den aufwendigen Sicherheitssystemen, die das Aeromobil 4.0 an Bord hat. Neben zahlreichen Airbags stecken nämlich auch Fallschirme in der ultraleichten Carbon- Kanzel. Stefan Klein konnte sich schon von der Wirksamkeit dieser Features am eigenen Leibe überzeugen. Bei einem Testflug vor zwei Jahren stürzte er aus 200 Metern ab, konnte aber die Fallschirme aktivieren und überstand den Unfall unverletzt.



DeLorean DR-7: Alte Bekannte. Noch nie war die Fiktion des fliegenden Autos also näher an der Realität als heute. Und dennoch muss man schon zweimal hinschauen, wer sich da als nächster Mitbewerber angekündigt hat: DeLorean! Natürlich kommen keine alten DMC-12 zum Handkuss und werden aufwendig umgerüstet. Und es ist auch nicht dieselbe Firma, die 1981 in Nordirland Autos baute. Vielmehr wurde DeLorean Aerospace vor fünf Jahren vom Neffen des berühmt-berüchtigten John DeLorean gegründet, und für das erste Projekt, den DR-7, ist die Konzeptphase bereits abgeschlossen: Zwei Propeller – einer vor und einer hinter der Pilotenkanzel – sollen senkrechte Starts und Landungen ebenso ermöglichen wie das Fliegen an sich. Als Antrieb dienen Elektromotoren, die 200 Kilometer Reichweite abspulen sollen.

Aber noch ist es nicht so weit. Derzeit gibt es nur flugunfähige Modelle. In den nächsten zwölf Monaten sollen aber ferngesteuerte DR-7 im Maßstab 1:1 zu Tests in die Lüfte gehen. Fürs Erste muss Emmett Brown also auch weiterhin noch auf seinen alten DMC-12 vertrauen.