Es ist eine dieser Fragen, die die Menschheit seit der Erfindung des Automobils beschäftigt: Wann fahren unsere Auto-Mobile endlich wirklich automatisch? Verwegene Zukunftsvisionen von vor 60 Jahren nahmen dieses Wunschdenken schon vorweg, wobÜber Car2X können Autos sich in Zukunft gegenseitig vor Gefahren warnenei man damals im Innenraum noch gepflegt eine Runde Dame spielte und  nicht am Smartphone herum tippte. Zwar gibt es vereinzelte Tests schon seit mehr als 20 Jahren, aber jetzt endlich ist der Durchbruch zum Greifen nah. Und tatsächlich: Zumindest theoretisch sind moderne Autos schon knapp dran an dieser uralten Vision. Bis man diese Technikrevolution auf die Kunden loslassen darf, gibt es aber noch eine Menge Probleme zu lösen. Ein System- oder Produktionsfehler könnte schließlich böse Folgen haben.

Der Traum vom selbstfahrenden Auto wird erst in mehr als zehn Jahren Realität werden
Der Traum vom selbstfahrenden Auto wird erst in mehr als zehn Jahren Realität werden © KK

Technik. Grundsätzlich benötigen autonom fahrende Autos all die Technik, um die Aufgaben, die unsere Sinnesorgane hinter dem Steuer erfüllen, übernehmen und so unsere Reaktionen beim Fahren ersetzen zu können. Die Aufgabe von Augen und Ohren übernehmen Sensoren und Kameras, die mit Ultraschall-, Radar- und Lasertechnik die Umgebung permanent scannen, um andere Autos vor, hinter sowie neben einem und vor allem den Straßenverlauf im Blick zu haben. Eine aufwendige Elektronik mimt das Gehirn, erfasst permanent Daten, was bei der Fülle an Informationen einen gewaltigen Arbeitsspeicher voraussetzt. Geht es ruhig und fließend dahin, stellt das für moderne Regelungssysteme heute schon keine große Herausforderung mehr. Spannend wird es erst, wenn Ausnahmesituationen auftreten. Und das können die banalsten Kleinigkeiten sein. Die tief stehende Sonne etwa oder simple Regentropfen auf der Scheibe haben das Potenzial, für irritierte Sensoren zu sorgen. Und dicke Schneeflocken werden womöglich als Hindernisse interpretiert, was schon einmal zu einer ungerechtfertigten Vollbremsung führen kann – mit im schlimmsten Fall fatalen Folgen.
Newcomer aus Israel. Eine der Schlüsselfirmen, die sich dieser Probleme angenommen hat, ist Mobileye. Aus dem kleinen Zulieferer entwickelte sich ein gefragter Anbieter für Prozessoren, die die Datenerfassung der Kameras am Auto schnell und fehlerfrei bewältigen. Auf diese Teile ist praktisch die gesamte Industrie scharf. 27 Hersteller hat Mobileye unter Vertrag und gemeinsam mit Delphi will man bereits 2019 ein fixfertiges System präsentieren, das zwei Jahre später in Serie gehen soll. Neben Computern mit gewaltigen Rechenleistungen, die derzeit noch ganze Kofferräume füllen, ist der letzte entscheidende Punkt die digitale Landkarte. Jeder Zentimeter Straße, jeder Höhenmeter und am besten auch noch die Fahrbahnbeschaffenheit – je genauer die Aufzeichnung, desto besser kann die Bordelektronik den Standort bestimmen, über Sensoren die reale Welt mit der virtuellen abgleichen und sicher durch die Gegend kurven. Audi, BMW und Mercedes übernahmen zu diesem Zweck von Nokia den Kartenanbieter Here. Doch damit das On-Board-System die Informationen auch schnell und in voller Auflösung darstellen kann, benötigt es einer extraschnellen GSM-Verbindung, die derzeit noch nicht existiert. Doch am 5G-Netz, das tausendmal schneller sein soll als der derzeit gültige LTE-Standard und das somit einen zentralen Baustein fürs autonome Fahren liefern würde, wird eifrig gefeilt.

Eine Herausforderung sind außerdem die nicht eingeplanten Fahrmanöver. Wenn zum Beispiel jemand plötzlich vor einem ausschert. Oder – noch gefährlicher – wenn Fußgänger am Straßenrand stehen und plötzlich losgehen. Welches Sinnesorgan kann hier simuliert werden? So unglaublich es klingt: Aber der in diesen Situationen so wichtige Blickkontakt soll durch den Fußgängerabsichtserkenner, an dem das Fraunhofer-Institut arbeitet, ersetzt werden. Damit der Bordcomputer tatsächlich richtig einschätzen kann, was passieren wird, benötigt er allerdings noch ein, nennen wir es einmal Basis-Instinkt-Programm. Und genau das ist für Amnon Shashua, Chef von Mobileye, einer der Schlüsselpunkte des autonomen Fahrens. Er nennt es „Driving Policy“: Die künstliche Intelligenz soll dank gefinkelter Algorithmen die Verhaltensweisen der Fahrer erkennen und ihr Verhalten adaptieren. „Was, wenn Autos die Fahrbahn kreuzen?“, meint Shashua. „Hier fahren die Fahrer intuitiv, nach Gefühl. Hierfür gibt es keine strikten Regeln. Aber wir müssen unseren Computer trainieren und ihm beibringen, wie er hier zu reagieren hat.“

Der Auto-Chat. Diese Vorahnung, das Bauchgefühl, dass sich in wenigen Momenten eine gefährliche Situation ergeben könnte, bleibt für die nächsten Jahrzehnte wohl ein Monopol des analogen Menschen. Doch das gleichen die Autos geschickt aus, mit jeder Menge Kommunikation: „Keiner ist so clever wie alle anderen um ihn herum zusammen“, kommentiert BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich das Geheimnis von Car2X, eine Art Chat-Plattform für Autos, die sich gerade in derselben Region aufhalten. Muss ein Vehikel etwa aufgrund eines Hindernisses plötzlich stehen bleiben, sendet es automatisch eine Warnung an alle anderen Fahrzeuge in der Umgebung, dass hier etwas nicht stimmt. Alle Autos, die das Signal empfangen, planen das Hindernis in ihre Route ein und warnen auch den Fahrer, äh, Insassen vor einer möglicherweise bevorstehenden Notbremsung.

Mercedes setzt diese Technik seit heuer erstmals bei der neuen E-Klasse ein, doch das derzeitige 3G-Mobilfunknetz wäre bei einer flächendeckenden Verbreitung von Car2X schnell überfordert. Brian Krzanich, Chef des Chipherstellers Intel, sieht die Herausforderung daher auch nicht im Erfassen von Gefahrensituationen, sondern im Verwalten dieser Datenflut: „Eine Million selbstfahrender Autos werden so viele Daten erzeugen wie die Hälfte der Weltbevölkerung.“

Google. Googles Tochterfirma für autonomes Fahren, Waymo (Way of Mobility), arbeitet intensiv an einer Plattform, die sämtliche Systeme für selbstständiges Fahren bieten soll. Mechanik, Elektronik, Kameras – all das will man fixfertig im Paket den Herstellern anbieten. Die Fiat-Chrysler-Gruppe hat schon angebissen. Ganz ohne fremde Hilfe stemmen die Jungs und Mädels aus dem sonnigen Silicon Valley diese gewaltige Aufgabe aber nicht. Man arbeitet mit Bosch, Continental und ZF zusammen. Aber über ein wichtiges, zentrales Element der Selbstfahrerei verfügt man bereits: ein digitales Abbild des gesamten Straßennetzes. Google Maps – klingelt’s? Richtig, der Gratisdienst, den praktisch jeder auf der Welt bereits auf seinem Handy hat.

Gerade diese Unabhängigkeit möchte Google nutzen, um einen wichtigen Aspekt mit ins Spiel zu bringen: den Schutz vor Hackern. „Unsere Wagen kommunizieren mit der Außenwelt nur, wenn es nötig ist, sodass es keine permanente Verbindung ins Auto gibt, die gehackt werden kann“, erklärt Waymo-Chef John Krafcik in einem Interview. „Wenn wir sagen, dass unsere Autos autonom sind, bedeutet das nicht nur, dass sie nicht von einem Menschen gefahren werden, sondern dass es auch keine ständige Cloud-Verbindung gibt.“ Somit allerdings auch keine Car2X-Unterhaltung.


Recht so. Und dann bleibt immer noch der Gesetzgeber, der erst einmal damit einverstanden sein muss, dass nicht mehr der fährt, der für die Fahrt verantwortlich ist. Amnon Schaschua zieht Parallelen zur Luftfahrt: „Alle Flugzeuge sehen heute in etwa gleich aus, weil die Branche so streng reguliert wird – das wird auch in der Autoindustrie passieren.“ Kein Wunder – schließlich vertraut man sein Leben einer Maschine an. „Die Gesellschaft akzeptiert es nicht, wenn Computer Menschen töten.“ Und schuld sind wieder einmal: die Wiener. Das internationale Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr von 1968 sieht nämlich vor, dass der Fahrzeugführer stets die permanente Fahrzeugbeherrschung haben muss. Sprich: beide Hände am Lenkrad. Bis auf wenige Ausnahmen haben praktisch alle Länder dieser Erde das Übereinkommen ratifiziert, doch langsam kommt Bewegung in die alte Melange.

2014 hat die UN das Regelwerk überarbeitet und Systeme, die die Fahrt beeinflussen, freigegeben, solange sie jederzeit vom  Fahrer überstimmt oder abgeschaltet werden können. Seit 2015 sind teilautonome Systeme zugelassen und seit heuer sogar in Österreich bestimmte Strecken für Tests auch für vollautonome Modelle freigegeben. Natürlich nur, wenn der menschliche Fahrer permanent ein wachsames Auge auf das Geschehen hat. Und auch die neue deutsche Gesetzgebung erlaubt zwar autonom fahrende Systeme, nur muss der Fahrer jederzeit bereit sein, das Steuer übernehmen zu können. Und genau diesen Punkt wollen die Amerikaner demnächst elegant aushebeln. Gesetze kreativ zu interpretieren, lag ihnen schon immer im Blut, und so ist die dortige Verkehrsbehörde vor Kurzem zu dem Entschluss gekommen, dass ja einfach auch ein Computer als Fahrer anerkannt werden kann – womit dem autonomen Auto endgültig keine bürokratischen Straßensperren mehr im Weg stehen würden.

Lösung mit Zweifeln. Bleibt am Ende nur mehr die Frage, die wir uns schon seit dem ersten Teil von „Terminator“ stellen: Wie wird das Zusammenleben von Mensch und Maschine wohl ablaufen? Verstehen wir uns überhaupt? Aric Dromi, Chef-Zukunftsforscher von Volvo sieht hier noch ganz andere Aufgaben auf uns zukommen: „Ich glaube sogar, dass es fliegende Autos früher geben wird als die Umstellung des Verkehrs auf autonome Autos”, meinte er in einem Interview. Für ihn sind diese Systeme kein einfaches Ausstattungsextra. „In Wahrheit handelt es sich um ein gigantisches Infrastrukturprojekt.“ Seine These: Die auf Sicherheit programmierten Autonomautos fahren zu rücksichtsvoll. Um Unfälle zu vermeiden, wird lieber früher als später gebremst, bis irgendwann der ganze Verkehr steht. „Ein selbstfahrendes Auto inmitten von tausend von Hand gesteuerten Autos, das geht gut. Aber tausend selbstfahrende Autos und mittendrin ein einziges herkömmliches Auto, das endet im Verkehrsinfarkt.“ Wäre es also schlau, nur mehr den Autos das Fahren zu überlassen? Verschieben wir diese Frage besser auf das Jahr 2030.