Walter Owen Bentley wusste schon immer, was er wollte. Und 1930 dürfte er endlich am Ziel gewesen sein: „Ich wollte schon immer ein Auto bauen, das bei 160 km/h geräuschlos ist. Und ich glaube, das haben wir jetzt geschafft“, kommentierte er nüchtern seine jüngste (und zugleich letzte) Konstruktion, die er sich für die von ihm gegründete Marke Bentley einfallen hat lassen: Ein acht Liter großer Reihensechszylinder, monströs zwar von den Abmessungen und bärenstark zugleich. Trotzdem lief er so seidig und nahezu lautlos wie eine Katzeüber das heiße Blechdach – ein Meilenstein im goldenen Zeitalter des britischen Automobilbaus.

Nicht nur sprichwörtlich ein Stück vom Glanz des schlicht „8 Litre“ getauften Meisterwerks pflanzt Bentley nun in den Mulsanne W.O. Edition, die im Rahmen des Concours d’Elegance in Pebble Beach das erste Mal der gut betuchten Öffentlichkeit gezeigt wird. Produziert werden exakt 100 Stück, die 2019 zum hundertjährigen Jubiläum der von Mister Bentley gegründeten Marke in den Verkauf kommen.

Ja und da diese Luxuslimousine nicht einfach nur eine Sonderserie sein möchte, implantierte man tatsächlich bei jedem ein Teilchen der Kurbelwelle von Walter Owen Bentleys Dienstwagen, übrigens der zweite vom Band gelaufene 8 Litre, in die hintere Armlehne. Ein stilvolles i-Tüpfelchen, denn alle Exemplare, die ganz klassisch in Handarbeit beim Karosseur Mulliner entstehen, bekommen eine erlesene Innenausstattung, ganz im Stile des feudalen Luxusliners aus der Zwischenkriegszeit.

Allem voran: Die zweifärbige Lederausstattung, kombiniert mit vier unterschiedlichen Holzsorten sorgt für eine clubartige Atmosphäre, gekonnt betont mit gefühlvoll platzierten Leisten aus gebürstetem Aluminium. Alles zusammen ergibt einen stilvollen Art Deco-Look, der gekrönt wird von Bentleys Unterschrift, eingraviert in den seitlichen Zierleisten.

Ja und in der hinteren Mittelkonsole steckt, wie schon erwähnt, entweder ein kleines illuminiertes Cocktail-Kabinett oder ein gekühlter Flaschenhalter gekrönt von einem Stückchen historischer Kurbelwelle. Um dieses möglichst stilvoll einzubetten, hat der Rahmen die geometrische Form des 8-Liter-Kühlergrills. Über Features wie Teppiche aus Lammwolle, Becher aus Glas, Fond-Vorhänge oder ein topmodernes Entertainmentsystem für die Besatzung im Heck wird bei diesem Aufwand schon gar nicht mehr gesprochen. Auch an der äußeren Optik feilten die Bentley Boys der Neuzeit natürlich noch ein wenig, verpassten ihrem Flaggschiff eine Chromleiste auf der Motorhaube, das legendäre Flying B als Kühlerfigur und natürlich einen komplett verchromten Grill inklusive Rahmen.

Am Antrieb blieb alles wie gehabt, man muss aber auch sagen, dass es hier nicht unbedingt einen Nachholbedarf gegeben hat. Der exakt 6752 Kubikzentimeter große Achtzylinder mit Biturboaufladung stemmt je nach Version zwischen 512 und 537 PS und über 1000 Newtonmeter Drehmoment. Absolut ausreichend, würde wohl auch Mister Bentley sagen.

Ob er von diesem Mulsanne beeindruckt wäre? Bestimmt sogar, und auch sein persönlicher 8-Litre ging nicht irgendwo in den Sackgassen der Geschichte unter. Nachdem er seine Firma nach wirtschaftlichen Turbulenzen 1931 verkaufen musste und Konkurrent Rolls-Royce den Zuschlag bekam, blieb der Firmengründer noch im Unternehmen. Aber nicht für lange – und dann musste er sich auch von seinem geliebten Dienstwagen trennen. Der Wagen überlebte die nächsten Jahrzehnte und wurde von Bentley 2006 – nun nicht mehr unter Rolls-Royce – zurückgekauft. Es folgte eine maßvolle Restauration, um möglichst viel der Originalsubstanz zu erhalten. Die Kurbelwelle allerdings war zu verschlissen und musste ersetzt werden. Im Jubiläums-Mulsanne findet sie aber eine völlig neue Bestimmung.

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