Wenn dieses Auto erzählen könnte, was es in seinen knapp 60 Jahren auf Erden alles erlebt hat, man könnte wohl mehrere Bücher damit füllen. Aber weil der BMW 507 das nicht kann, galt er fast 50 Jahre lang als verschollen und seine Historie lag lange im Dunkeln. Alleine die Geschichte seiner Wiederentdeckung ist ein Krimi – oder, wie es sich für den fahrbaren Untersatz von Elvis Presley gehört – purer Rock’n’Roll.

Mit nur 254 zwischen 1955 und 1959 gebauten Fahrzeugen gehörte der 507 seit jeher zu den exklusivsten Modellen in der Geschichte der Marke. Bereits unmittelbar nach seiner Weltpremiere auf der Internationalen Automobil-Ausstellung 1955 in Frankfurt wurde der von dem Designer Albrecht Graf Goertz gestaltete Zweisitzer in der Presse als „Traum von der Isar“ gefeiert. Prominente Besitzer wie Alain Delon, Ursula Andress und John Surtees trugen zum Image des Roadsters als Statussymbol bei, doch um kein anderes Exemplar dieses Modells ranken sich so viele Mythen wie um den BMW 507 von Elvis Presley.

Der Wagen war wie vom Erdboden verschluckt, nicht einmal über die Fahrgestellnummer war man sich sicher oder ob ihn der King nach dem Ende seines Militärdienstes in Deutschland überhaupt über den großen Teich mit nach Hause genommen hat. Aber dann begab sich die US-amerikanische Journalistin Jackie Jouret auf die Spur des Roadsters, und die Nebel begannen sich langsam zu lichten.

Sie durchforstete schon 2006 zeitgenössische Berichte über Elvis‘ BMW 507 sowie einschlägige Literatur über die Historie dieses Modells und stieß dabei auf ein wesentliches Detail. Diverse Quellen wiesen darauf hin, dass der an Elvis Presley in Deutschland ausgelieferte 507 kein Neuwagen war. Vielmehr war er zuvor von Rennfahrer Hans Stuck genutzt worden. Der als „Bergmeister“ bekannte Motorsportler gewann zwischen Mai und August 1958 in Deutschland, Österreich und der Schweiz mehrere Bergrennen – in einem weißen 507 mit der Fahrgestellnummer 70079 und dem Kennzeichen M–JX 800.

Ebenso ist bekannt und durch Fotoaufnahmen belegt, dass dieser, am 13. September 1957 vom Band gerollte und wenige Tage später auf der Frankfurter IAA ausgestellte Roadster mehrfach für Presse-Testfahrten eingesetzt wurde. Bereits im Oktober 1957 präsentierte Hans Stuck den Wagen auf der London Motorshow und reiste anschließend über Belgien, wo er den Roadster König Baudouin vorstellte, zur Automobilausstellung nach Turin. Und damit nicht genug: Im Sommer 1958 gewann Stucks 507 den automobilen Schönheitswettbewerb in Wiesbaden und stand in den Bavaria Filmstudios für den Kinostreifen „Hula-Hopp Conny“ mit Cornelia Froboess und Rudolf Vogel vor der Kamera.

Elvis Presley mit seinem 507er
Elvis Presley mit seinem 507er © BMW

Das alleine wäre an spannenden Details für ein Autoleben an sich schon mehr als genug gewesen, aber dann ging es für das Cabrio erst so richtig los: Zwischenzeitlich einer Motorrevision und einem Getriebeaustausch unterzogen, gelangte der Wagen mit der Fahrgestellnummer 70079 im Herbst 1958 zu einem Händler in Frankfurt, der es dem damals 23 Jahre alten US-Soldaten Presley zur Probefahrt überließ. Der King war begeistert und entschloss sich zum Kauf des Wagens.

Elvis Presley nutzte ihn für die Fahrten zwischen seinem Wohnort Bad Nauheim und der US Army Base in Friedburg. Dabei wurden die beiden stets von weiblichen Fans belagert, die auf dem weißen Lack des Roadsters ihre mit Lippenstift verzierten Liebesbotschaften hinterließen. Für einen Rockstar waren diese Zeichen der Zuneigung nicht unüblich, dem US-Soldaten Presley waren sie dagegen unangenehm. Mit einer Neulackierung des Fahrzeugs in Rot wurde das Problem gelöst.

Im März 1960 beendete Elvis Presley seinen Militärdienst in Deutschland und nahm den BMW mit über den Atlantik. Schon wenig später trennte er sich von dem Wagen, denn er tauchte bei einem Chrysler-Händler in New York auf, der ihn für den aus heutiger Sicht lächerlich niedrigen Preis von 4500 Dollar an den Radiomoderator Tommy Charles verkaufte. Mit seinem neuen Besitzer begannen für den noblen Bayern harte Zeiten: Für Renneinsätze ließ Charles einen Chevrolet-Motor einbauen, der so viel Platz beanspruchte, dass Teile des vorderen Rahmenträgers herausgeschnitten werden mussten. Auch das Getriebe und die Hinterachse sowie die Instrumente im Cockpit wurden ausgetauscht. In Daytona Beach in Florida gewann Charles mit dem modifizierten Roadster ein Rennen, anschließend startete er noch bei weiteren Wettkämpfen, bevor er das Fahrzeug im Laufe des Jahres 1963 verkaufte.

Hans Stuck fuhr mit dem 507er Rennen
Hans Stuck fuhr mit dem 507er Rennen © BMW

Zwei weitere Besitzerwechsel folgten und führten den verbastelten Wagen schließlich nach Kalifornien. Der Raumfahrt-Ingenieur Jack Castor erwarb den Wagen 1968, fuhr ihn zunächst sporadisch im Alltagsverkehr und fasste dann den Entschluss, ihn für eine spätere Restaurierung einzulagern und seinen Werdegang zu erforschen. Dabei stieß er auf einen Artikel von Jackie Jouret über den 507er des King of Rock’n’Roll – er wurde hellhörig, kontaktierte die Autorin und lud sie zu einer Besichtigung ein.

Castor war bewusst, dass er den ehemaligen Rennwagen des „Bergmeisters“ Hans Stuck besaß. Über eine Verbindung zu Elvis konnte jedoch auch er bis dato nur spekulieren. Für Jackie Jouret war die Sache hingegen klar. Sie begleitete Jack Castor zu einer Lagerhalle für Kürbisse, in der neben weiteren betagten Fahrzeugen auch der rote BMW untergebracht war. „Jack hatte seine Motorhaube mit Seilen festgezurrt“, erinnert sich die Journalistin an den Moment der Entdeckung. „Es dauerte noch eine Weile, bis wir an den Motorraum herankamen und die eingeschlagene Rahmennummer entdeckten: 70079, der Heilige Gral unter den BMW-Seriennummern.“

In Jack Castors Scheune wurde der BMW gefunden
In Jack Castors Scheune wurde der BMW gefunden © BMW

Allerdings war der Zustand des dazugehörigen Fahrzeugs erbärmlich. Für die geplante Zurückversetzung des Roadsters in seinen Urzustand hatte Castor bereits eine Vielzahl von sorgsam in Kisten verstauten Teilen zusammengetragen. Was fehlte, war ein passender Motor und die Zeit, das Projekt konsequent anzupacken. Doch jetzt kam Bewegung in die Sache: Jackie Jouret knüpfte den Kontakt zur BMW Group Classic, die sich nach weiteren Recherchen schließlich sicher waren: Es ist der 507er des King!

Nach mehreren Jahren und vielen Gesprächen mit den Experten für Oldtimerrestaurierungen bei der BMW Group Classic, Klaus Kutscher und Axel Klinger-Köhnlein, kam eine Vereinbarung mit Jack Castor zustande. Sie beinhaltete neben dem Erwerb des Fahrzeugs durch die Bayern auch den authentischen Wiederaufbau des Fahrzeugs nach den Vorstellungen Castors. Deshalb sieht der 507 heute wieder genauso aus, wie am 20. Dezember 1958, als ihn Elvis Presley in Empfang nahm: mit einer Lackierung in Federweiß, dem 150 PS starken V8-Aluminium-Triebwerk unter der Motorhaube, Zentralverschluss-Felgen, schwarz-weißem Interieur und einem Radio vom Typ Becker Mexico.

Sein Wunsch, den BMW 507 mit den Augen des Kings sehen zu können, hat sich für Jack Castor leider nicht erfüllt. Er verstarb im November 2014 im Alter von 77 Jahren.