Bayern und seine Traditionen, eine endlose Geschichte. Was einmal gut ist, bleibt auch gut. Basta. Und selbst wenn im Laufe eines ganzen Jahrhunderts beim Fahrzeugbau keine Schraube auf der anderen blieb, so ziehen sich doch zwei Merkmale quer durch die Geschichte von BMW wie der Bindfaden durch die Lederhose. Sechs Zylinder in Reihe oder zwei in Boxer-Anordnung. So als wären sie genetisches Erbgut der Gründerväter.

Wobei streng genommen alles gar nicht vor hundert Jahren angefangen hat. Der Ursprung der Marke BMW ist nämlich ein wenig verwirrend. Dass die offizielle Geschichtsschreibung manche Details ein wenig abkürzt, kann durchaus als Vorteil gesehen werden. Also: 1922 erwirbt der italienisch-österreichische Finanzier und Flugzeugtycoon Camillo Castiglioni den Motorenbau mitsamt den Mitarbeitern und Produktionsanlagen, den Firmennamen sowie das weiß-blaue Logo der im Jahre 1917 gegründeten Bayerischen Motoren Werke AG, die wiederum aus der Firma Schneeweis in Chemnitz und der Rapp Motorenwerke GmbH hervor gingen.

Dieses Konstrukt überträgt er auf die Bayerische Flugzeugwerke AG, die am 6. März 1916 aus den Überbleibseln der Aeroplanbau Otto & Alberti und Gustav Otto Flugmaschinenwerke gegründet wurden. Die Geschichte von BMW beginnt also nur aufgrund diese Übernahme schon im Jahre 1916. Am 7. März 1916.

Aber auch vom technischen Standpunkt her, startete BMW schon vor der Fusionierung zu echten Höhenflügen: Während des Ersten Weltkriegs fertigt das Unternehmen als einziges Produkt den Flugmotor namens Illa. Er gilt als erster, jemals von BMW hergestellter Sechszylinder-Reihenmotor, was bis in die Neuzeit als eines der Wahrzeichen der Firma gilt und mit dem am 17. Juni 1919 sogar ein neuer Höhenrekord der bemannten Luftfahrt gelang: Auf 9760 Meter schaffte es davor noch kein Mensch.

Die Lage nach Kriegsende nötigte BMW dazu, diverse Notproduktionen zu erledigen, bevor es 1922, nach Castiglionis Einstieg, mit dem Flugmotorenbau weiter gehen konnte.

BMWs Geschichte beginnt mit dem Bau von Flugzeugmotoren
BMWs Geschichte beginnt mit dem Bau von Flugzeugmotoren © BMW

Ein Produkt war aber definitiv zu wenig, und so kam bereits 1923 die zweite Konstruktion in die Produktion, die BMW bis heute die Treue halten sollte: Die R 32 war das erste Motorrad der Firma, hatte aber schon den typischen Zweizylinder-Boxermotor mit Kardanwellenantrieb. Ein zu dieser Zeit revolutionäres Konzept, das den Beginn der zivilen Fahrzeuge bei BMW markieren sollte. Aus dem Schneider waren die Münchner damit aber noch lange nicht.

Die Zwischenkriegszeit war geprägt vom Aufstieg des Automobils zum weltweiten Phänomen. Von Massenmotorisierung konnte man in Europa zwar wirklich noch nicht sprechen, aber es gab die ersten Anzeichen für einen gewaltigen Trend. Also angelte man sich 1928 die Fahrzeugfabrik Eisenach. Die Produktion des dort in Lizenz gefertigten Austin Seven führten die Bayern weiter. Streng genommen, ist der erste BMW mit vier Rädern namens Dixi also ein herziger Engländer. Eine Weiterentwicklung namens 3/15 PS folgte 1929 und erst 1932 folgte mit dem 3/20 PS das erste eigene Modell vom Band.

Die R 32 ist BMWs erstes Motorrad
Die R 32 ist BMWs erstes Motorrad © BMW

1934 war es dann endlich soweit: Der Reihensechszylinder fand seinen Weg in den Automobilbau, der BMW 303 war also der erste seiner Art. Mit dem 326 folgt schließlich der Aufstieg in eine höhere, sportliche Fahrzeugklasse und mit dem 328 fanden die Bayern in dieser Epoche ihren Höhepunkt. Siege in Le Mans und bei der Mille Miglia konnten damit verbucht werden, und trotzdem war alles nur mehr oder weniger nur ein Herumexperimentieren, denn am Flugmotorenbau führte so kurz vor dem nächsten Weltkrieg kein Weg vorbei. Die dunkelste Zeit des Kontinents lief auch für BMW nicht sonderlich rühmlich. Als Rüstungskonzern stellte er ab 1941 die Produktion ziviler Fahrzeuge gänzlich ein und konzentrierte sich ausschließlich der Herstellung von Armeegerätschaften.

Nach Kriegsende kratze BMW nicht nur einmal am finanziellen Abgrund entlang. Der oftmalige Übernahmekandidat kämpfte jahrelang ums Überleben und um eine eigene Identität: Was will ein BMW eigentlich sein? Die Motorräder machten noch die wenigsten Probleme. Bereits 1948 kam mit der R 24 das erste neue Modell auf die noch zerbombten Straßen. Die Sache mit den Autos war da schon etwas schwieriger. Die Werke am Standort in Eisenach mit all ihrem Wissen über die Fahrzeugfertigung lagen in der sowjetischen Besatzungszone. 

Der BMW 507 war in den 1950ern ein Star - brachte aber kein Geld ein
Der BMW 507 war in den 1950ern ein Star - brachte aber kein Geld ein © BMW

Man begann also mehr oder weniger bei Null und konnte sich erst 1952 durchringen, Fahrzeuge der Oberklasse zu bauen. Zu Zeiten von Essensmarken und Schwarzhandel vielleicht nicht unbedingt der schlaueste Plan, um Überleben zu können. Und so technisch interessant der 501 – natürlich mit Sechszylinder – sowie der 502 mit Alu-V8 auch waren: Ihre schwülstige Formen passten so gar nicht in die Jahre des Aufbruchs, wo alles altbackene höchstens verachtet wurde. Der Spitzname Barockengel tat sein übriges. Der hinreißende Roadster 507 gilt bis heute zwar als echter Design-Klassiker, aber BMW brauchte Geld - und das war damit einfach nicht zu verdienen.

Auch die Isetta von 1955, ein Lizenzprodukt eines italienischen Vehikels der Firma Iso, brachte nicht den gewünschten Erfolg. Auch wenn sich der winzige Eintürer sowie der 600er (eine verlängerte, viersitzige Version der Isetta) beachtliche 160.000 mal verkauften, die roten Zahlen blieben ein Stammgast im Biergarten von BMW. 1959 konnte nur dank des Einsatzes einiger Kleinaktionäre die Übernahme durch die Daimler-Benz AG haarscharf verhindert werden.

Der BMW 700 rettete die Marke - die Inspiration kam vom Grazer Wolfgang Denzel
Der BMW 700 rettete die Marke - die Inspiration kam vom Grazer Wolfgang Denzel © BMW

So jedenfalls konnte es mit BMW nicht weiter gehen, dachte sich ein gewisser Herbert Quandt. Der Industrielle besaß einen gewaltigen Anteil an der Firma und erst sein Sanierungsplan brachte BMW – ebenfalls im wahrsten Sinne des Wortes – auf die Überholspur. Denn wenn der Erzfeind aus Stuttgart schon die Luxussparte besetzt, dann kontert man in Bayern einfach sportlich.

Anfangs mit dem cleveren Kleinwagen 700, später mit der neuen Klasse ab 1961 wendete sich langsam das Blatt. Doch erst der 1800er gilt als echter Startschuss von BMW in der jüngeren Geschichte. Seine Symbiose aus praktischer Limousine, athletischem Motor und agilem Fahrwerk ist bis heute Bestandteil der Firmen-DNA geblieben. Quasi über Nacht war BMWs Rolle im internationalen Autogeschäft geklärt, und der Erfolg stellte sich quasi in der Minute ein.

Der erste 3er war ein Meilenstein der Firmengeschichte
Der erste 3er war ein Meilenstein der Firmengeschichte © BMW

Die neue Klasse, die 02er-Serie, 3er, 5er, 7er – BMW hatte das, was man einen echten Lauf nennt, und musste auf Teufel komm raus expandieren. Das Stammwerk in München war schon lange überlastet. Also übernahm die Hans Glas GmbH mitsamt ihren Modellen, die bis zum Auslaufen noch unter dem Propeller-Logo liefen. Ab da an rollten in den Ex-Glas-Fabriken in Dingolfing und Landshut nur mehr BMWs vom Band. Dem nicht genug, folgten 1979 das Motorenwerk in Steyr, eine weitere Fahrzeugproduktion in Regensburg 1986, ab 1994 im amerikanischen Spartanburg und ab 2005 in Leipzig.

Verwaltet und konstruiert wurde ab 1973 in der neuen Firmenzentrale am Rande des Olympiageländes in München, dem klassischen Vierzylinder, wie das Hochhaus von den Mitarbeitern liebevoll genannt wird. BMW exportiert in nahezu alle Länder dieser Welt, ist erfolgreich im Motorsport und schafft es als Ingenieursfirma, sich ein ganz spezielles Image aufzubauen. Jung und dynamisch, mit turbinenartig-arbeitenden Reihensechszylindern – das können nur wir. Auch wenn die Lichthupe und der linke Blinker schnell zum fragwürdigen Erkennungsmerkmal werden, dem Erfolg tut das alles keinen Abbruch. Nur die Bandagen werden mit der Zeit immer härter.

Die Firmenzentrale in München wird wegen ihrer Form Vierzylinder genannt
Die Firmenzentrale in München wird wegen ihrer Form Vierzylinder genannt © BMW

1994 übernimmt BMW die Rover Group von der British Aerospace. Von langfristigen Plänen und Synergien, die beide Seiten profitieren lassen, ist die Rede. Davon, dass man in diesen schwierigen Zeiten nur als großer Konzern echte Überlebenschancen hat. Und auch wenn BMW den Rover 75 mitentwickelt und zur Serienreife bringt – die Geschichte nimmt ein völlig anderes Ende: Die Bayern schnappen sich den von den Briten fast fertig entwickelten neuen Mini sowie die Markenrechte und verscherbeln den Rest. Rover war Geschichte, und kein Kleinaktionär hätte etwas dagegen tun können.

1998 kam Rolls Royce ins Markenportfolio hinzu und blieb, ebenso wie die Motorradbude Husqvarna 2007. Und auch wenn es in der Welt der Großkonzerne nicht immer schön zu geht – der Erfolg gab BMW immer und immer wieder recht. Sogar, wenn mit eigenen Traditionen gebrochen wird.

Dass Ende der Neuzigerjahre mit dem X5 eine Art Geländewagen auf den Markt kam, ließ die Hardliner nur kurz aufschäumen. Immerhin gilt er als überraschend sportlich und bis heute als äußerst erfolgreich. Und auch die Umwälzungen der letzten Jahre, die Abkehr vom klassischen Sechszylinder, hin zu vereinheitlichten Drei- und Vierzylindern mit Turboaufladung, mag all jene stören, die die alten Modelle lieben. Doch genau so wie die neuen praktischen Modelle mit Frontantrieb, allen voran die 2er-Vans und der X1, zeigen im Endeffekt auch nur, dass BMW die Zeichen der Zeit nach wie vor richtig zu deuten scheint. So wie auch schon die Herren Castiglioni und Quandt.