Die Automobilindustrie steht unter Druck wie nie zuvor in der Geschichte. Sieht man vom Struktur- und Technologiewandel ab, der die Hersteller vor eine Herkulesaufgabe stellt und milliardenschwere Investitionen fordert, schlägt der Branche als vermeintlichem Hauptverursacher der Klimakrise jetzt auch eine regelrechte Dämonisierung entgegen. Der aktuelle Kreuzzug gegen das Automobil erreichte kürzlich bei der Frankfurter IAA einen Höhepunkt, als bei einer Großdemonstration Tausende Klimaschützer in einer aufgeheizten Stimmung die Eingänge der Messe blockierten und drinnen in den Hallen Greenpeace-Aktivisten während des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Autodächer stiegen und Plakate mit der Aufschrift „Klimakiller“ entrollten.

Spezies SUV als Feindbild

Ganz besonders im Fokus standen dabei die Modelle jenes Fahrzeugsegments, die den Herstellern seit Jahren regelrecht aus den Händen gerissen und nun als Hassobjekte gegeißelt werden. Speziell seit dem Horrorunfall im Zentrum von Berlin, als ein Sport Utility Vehicle in eine Gruppe von Passanten raste und dabei vier Menschenleben auslöschte, gilt die Spezies SUV endgültig als Sinnbild für Anachronismus, Maßlosigkeit und Zerstörung. Schon wird in Deutschland ein SUV-Fahrverbot in Städten diskutiert, Gruppierungen wie das Sand-im-Getriebe-Bündnis würden die Hochsitzwagen überhaupt von den Straßen verbannen wollen und skandieren: „Es gibt kein Recht, ein SUV zu fahren.“

Angeprangert werden dabei die protzigen und spritfressenden Lifestyle-Burgen im XXL-Format, die als Schrecken der Tiefgaragen und Kurzparkzonen immer schon schlecht beleumundet waren und dessen Lenker sich zunehmend einer Ächtung ausgesetzt sehen. Wobei sich das Angebot der als asozial gebrandmarkten Großkaliber jenseits von fünf Meter Länge, zwei Meter Breite und zwei Tonnen Gewicht auf ein schwaches Dutzend beschränkt und am Markt gerade einmal zwei Prozent des SUV-Absatzes bestreitet. Für die wesentlichen Volumen sorgen die kleineren SUV-Klassen, die seit geraumer Zeit so heftig beschleunigen wie kein anderes Segment. Die wegen ihrer akzeptablen Abmessungen sozial verträglichen Hochsitzer waren die Wachstumstreiber. So greift heute in Österreich jeder dritte Neuwagenkäufer zu einem SUV.

Kein Ende des SUV-Booms

Fakt ist: Die Crossover - meist eine Kreuzung aus Kombi, Coupé, Van und Geländewagen - bleiben trotz aller Anfeindung im Trend. Die ganze Welt will die hochgestellten Autos mit dem bequemen Einstieg, der erhabenen Sitzposition und dem guten Rundumblick fahren. Was speziell Frauen und ältere Autolenker schätzen. Sehr zur Freude jedenfalls der Hersteller, die sich eine Abkehr von der Cashcow gar nicht leisten können, weil sie mit den margenträchtigen Alleskönnern jenes Geld verdienen, das sie für die Finanzierung der Zukunft benötigen. Im Besonderen sind es die Premiumanbieter, die den SUV-Markt mit frischer Ware versorgen. Wie die Marke mit den vier Ringen, die gerade eine große SUV-Offensive startet und damit auch auf die hohe Nachfrage in China reagiert. Am größten Automarkt der Welt giert man nach SUVs in allen Gewichtsklassen.

Crossover gehen an die Steckdose

Von der Bildfläche verschwinden werden damit die PS-starken SUV-Riesen freilich nicht. Mit einer immer stärkeren Elektrifizierung des Antriebs will man den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen und die Emissionen senken, um den Strafzahlungen zu entkommen. So steigt das Angebot an Plug-in-Hybriden zügig. Und bei Audi, Jaguar, Mercedes und Tesla hat man ohnehin bereits reine Elektro-Hochsitzer im Portfolio. Ihr Gewicht, den Batterien geschuldet, ist allerdings wenig erhellend: 2,5 Tonnen machen keinen schlanken Fuß.

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