Roland Scharf

Jahrhundertdirigent Herbert von Karajan hatten es der 911er und dessen urwüchsige Klangkulisse zutiefst angetan. Sein jüngstes Modell von 1975, ein streng nach seinen Vorgaben aufgebauter 930 mit weniger als 1000 Kilogramm Gewicht und damals atemberaubenden 360 PS, galt als ähnlich fulminant wie die großen Meister-Auftritte. Karajan war Stammkunde bei Porsche in der Salzburger Alpenstraße, dort traf er den zufällig anwesenden Walter Röhrl und fragte, ob der Lenkradkünstler ihm nicht einmal zeigen könne, was denn so alles mit einem Porsche möglich sei. Der Regensburger, mit mindestens so viel Feingefühl in seinen Fingerspitzen gesegnet wie von Karajan, konnte natürlich nicht Nein sagen. Der sonst so wortgewaltige Karajan sollte nachher knapp erzählen, dass er sich in seinem Leben noch nie in einem Auto so sehr verspreizen musste.

Es sind Geschichten wie diese, die Geschichte schrieben. Und es hatte einen guten Grund, warum Karajan in die Alpenstraße gekommen war: Der Betrieb Alpenstraße hatte sich einen exzellenten Ruf durch seine Motorsportabteilung erarbeitet – der erste Le-Mans-Gesamtsieg wurde zum Beispiel von der Alpenstraße betreut.

Hier saßen die Besten der Besten, die den Autos immer mehr entlocken konnten als die anderen. Bis heute hallt dieser Ruf sogar in andere Länder nach. Der Motorsport war aber nicht der einzige Mosaikstein für den wachsenden Erfolg. Was den Betrieb in der Alpenstraße auszeichnet, ist, dass die Grundlage für das Gesamtunternehmen der späteren Porsche Holding erarbeitet wurde. Hier, zwischen Schloss Hellbrunn und Anif, wurden letztlich die wichtigen Weichen zwischen den großen Geschäftszweigen der Firma Porsche gestellt.

Herbert von Karajan war Porsche-Fan und Stammkunde von der Alpenstraße. Legendär: der speziell  nach seinen Wünschen umgebaute 930 Turbo.
Herbert von Karajan war Porsche-Fan und Stammkunde von der Alpenstraße. Legendär: der speziell nach seinen Wünschen umgebaute 930 Turbo. © kk
Schnell fing das Geschäft zu brummen an, die Mannschaft wuchs rasch.
Schnell fing das Geschäft zu brummen an, die Mannschaft wuchs rasch. © Philipp Habring

Auf der einen Seite die Sportwagenfirma, die Weltruhm erlangen sollte. Auf der anderen Seite erwuchs aus dem Betrieb in der Alpenstraße das größte Automobilhandelshaus Europas, die Porsche Holding. Weltweit tätig in 27 Ländern, inklusive Südamerika, China, Singapur. Weltstars wie Karajan waren hier immer wieder zu Gast. Und man wurde eben im Laufe der Jahre zum Weltunternehmen.

Ab 1956: Der Vertrieb zog in die Stadt, der Werkstattbetrieb blieb.
Ab 1956: Der Vertrieb zog in die Stadt, der Werkstattbetrieb blieb. © kk
Die Polizei bekam damals noch Käfer Cabrios.
Die Polizei bekam damals noch Käfer Cabrios. © kk
Aller Anfang: In einer alten Kaserne startete Louise Piëch den Vertrieb für Österreich. Ihr Bruder Ferry Porsche zog bald nach Stuttgart weiter.
Aller Anfang: In einer alten Kaserne startete Louise Piëch den Vertrieb für Österreich. Ihr Bruder Ferry Porsche zog bald nach Stuttgart weiter. © TOURIST / Action Press / picture (TOURIST)

Die Alpenstraße war deshalb mehr als eine Zwischenstation der Porsche Kons­truktionen Ges.m.b.H. auf dem Weg nach Stuttgart. Als sich die Geschwister Ferry Porsche und Louise Piëch 1949 dazu entschieden, Gmünd zu verlassen, verfolgten beide ambitionierte Ziele, und der Geschäftsauftrag ihres Unternehmens war der Bau von Sportwagen und der Handel mit Volkswagen. Der eine wollte also Autos bauen, die andere sie verkaufen.Ein Ortswechsel, einfach um besser und leichter erreichbar zu sein, war zwar der erste logische Schritt. Was aber wirklich fehlte, waren grundlegende Entscheidungen. Und auch ein wenig Startkapital, also pilgerte man nach Wolfsburg, um die künftige Zusammenarbeit zwischen der Familie Porsche und dem aus den Ruinen auferstandenen VW-Werk neu zu regeln.Man hatte ja nach wie vor eine enge Bindung zu dem neu gegründeten Fahrzeughersteller, dem die britischen Besatzungsmächte neues Leben einhauchten. Also setzte man sich mit dem Generaldirektor von Volkswagen, Heinrich Nordhoff, zusammen und besiegelte vier Punkte, die über Jahrzehnte Bestand haben sollten: Erstens wurde die Genehmigung von VW erteilt, auf Basis des Käfers einen Sportwagen bauen zu dürfen. Zweitens erhielt die Familie Porsche den Generalimporteursvertrag für VW in Österreich. Drittens gab es als Gegenleistung für die Entwicklungsleistung Ferdinand Porsches für VW eine Lizenzgebühr von 5 Mark (2,50 Euro, gerundet) pro gebautem Käfer. Und, als kleine Absicherung für Volkswagen als Punkt vier: Porsche dürfe keine Motoren mit weniger als 1, 5 Liter Hubraum bauen. Damit konnte man gut leben.  Wieder in Österreich ging es an die Suche eines passenden Standorts. Die Stadt Salzburg stellte den Porsches und Piëchs ein ehemaliges Pionierübungsgelände zur Verfügung. Nahe der Salzach am südlichen Ende der Stadt gelegen, bot es mit seinen zahlreichen Baracken für die nächsten Schritte optimale Voraussetzungen. Außerdem lag es verkehrsgünstig an einer der wichtigen Routen Richtung Deutschland: der Alpenstraße.
Während Louise den Generalvertrieb in Gang brachte, war für Ferry von Anfang an klar, dass hier an eine Serienfertigung nicht zu denken war. Es fehlte an der Infrastruktur.

Deshalb entstanden dort nur die letzten 15 in Österreich gebauten 356 in reiner Handarbeit, ehe man nach Stuttgart zog. Und auch die Handelsgesellschaft der Piëchs hielt es nicht lange in der Alpenstraße. Nach einem anfänglichen Verkaufslokal in der Salzburger Franz-Josef-Straße übersiedelten Vertrieb und Verkauf 1957 in einen neu gebauten Bürokomplex. Der Porschehof lag zentral in der Nähe des Hauptbahnhofs und die Alpenstraße fungierte fortan als Werkstatt. Und als Basis für Motorsportaktivitäten sowie als Spezialitätenladen zur Betreuung von VIP-Kunden mit schwerem Gasfuß.

Heute schließt sich übrigens der Kreis: Der Betrieb in der Alpenstraße wurde neu errichtet und gerade eröffnet – mit einem 911 Quadratmeter großen Schauraum. Die Sportwagenmarke Porsche kehrt zu ihren angestammten Wurzeln zurück.