Die Geschichte der Medizin mit ihren vielen Errungenschaften und Irrwegen ist vielen bekannt – zumindest Aspekte davon. Kein Wunder, hat sie doch Einfluss auf unser aller Leben. Ob Antibiotikum oder Erkenntnisse zur Hygiene: Alles hat sich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet und entwickelt. 

Die Geschichte der Krankenpflege ist hingegen wenig bekannt, dabei aber sehr erhellend. Ein Rückblick anlässlich des VITA Pflegeawards – und ein kleiner Ausblick in die Zukunft des Berufs.

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Pflegekräfte leisteten über die Jahrhunderte einen unverzichtbaren Beitrag zur medizinischen Versorgung – oft ohne adäquate Anerkennung
Pflegekräfte leisteten über die Jahrhunderte einen unverzichtbaren Beitrag zur medizinischen Versorgung – oft ohne adäquate Anerkennung © Grigory Bruev

Altertum: Frauen halfen beim Kinderkriegen

Die Tätigkeit als Geburtshelferin gilt als der älteste Frauenberuf überhaupt. Tempelmalereien von der Drillingsgeburt der Pharaonenkinder des ägyptischen Sonnengottes Re sind eines der ältesten Zeugnisse der Hebammenkunst. Frauen waren nicht nur für die Pflege alter und kranker Menschen zuständig, sondern auch als  Helferinnen bei der Geburt und in den Wochen danach. Im Wortsinne bedeutet Hebamme Ahnin/Großmutter, die das Neugeborene aufhebt/hält. Übrigens: In Deutschland hießen männliche Hebammen bis ins Jahr 2019 "Entbindungspfleger" – bei uns Hebamme.

Heilung durch Beten im alten Ägypten

Wer für die Krankenpflege zuständig war und welche Qualifikationen gefordert waren, hat sich im Laufe der Zeit oft verändert
Wer für die Krankenpflege zuständig war und welche Qualifikationen gefordert waren, hat sich im Laufe der Zeit oft verändert © Rawpixel.com

Im Jahr 1550 vor Christus war das Gesundheitssystem schon etwas komplexer. Im alten Ägypten konnten Pflegebedürftige in Tempeln um Behandlung bitten. Hochrangige Tempelfrauen und Priesterinnen übernahmen dort die pflegerischen Aufgaben und arbeiteten Hand in Hand mit den meist männlichen Ärzten. Letztere nutzten auch Gebete zur Heilung der Kranken.

Erste Schule für Pflege in Indien

In Indien war die Pflege reine Männersache. Im Jahr 300 vor Christus wurden dort die ersten Regeln zur Hygiene und Belüftung von Krankenhäusern schriftlich festgelegt. 250 vor Christus entstand in Indien die erste Krankenpflegeschule, in der die angehenden Pfleger Tätigkeiten wie Kochen, Massieren und das Lagern der Kranken erlernten.

Wohltätigkeit als Gebot im Judentum

Auch in der jüdischen Kultur ist die Krankenpflege fest verankert. In den Schriften der Thora und des Talmuds sind Vorschriften zur Hygiene und zur Isolation infektiöser Kranker nachzulesen. Sehr prägend war auch das jüdische Wohltätigkeitsgebot, die Zedaka. Sie hielt die Gläubigen an, Gutes zu tun. Die Zedaka ist ein Vorläufer der christlichen sieben Werke der Barmherzigkeit, zu denen auch die Krankenpflege gehört.

Entwicklung hin zur rationalen Medizin im alten Griechenland

Ende des fünften Jahrhunderts entwickelte sich im antiken Griechenland die rationale Medizin, für die Hippokrates von Kos von besonderer Bedeutung war. In seinen Schriften legte er Regeln fest, anhand derer den Pflegenden Aufgaben entsprechend ihrer Ausbildung zugewiesen wurden. Je höher der Rang der Pflegekraft, desto komplexer die Aufgaben. Eine klare Trennung zwischen Ärzten und Pflegern gab es nicht. Beide Tätigkeiten waren hoch angesehen und waren rein in Männerhand (Ausnahme: die familiäre Pflege).

Die Krankenpflege, wie wir sie heute kennen, ist ein hoch professioneller Beruf mit klar geregelten Ausbildungsstandards
Die Krankenpflege, wie wir sie heute kennen, ist ein hoch professioneller Beruf mit klar geregelten Ausbildungsstandards © santypan

Gründung von Sanatorien im Römischen Reich 

Medizinisch von den griechischen Ärzten beeinflusst, entwickelte sich die Krankenpflege im römischen Reich vor allem innerhalb der Legion weiter. Soldaten erhielten Kenntnisse in Erster Hilfe, die Lazarette waren mit medizinisch ausgebildeten Frauen besetzt. Die Nachsorge der Erkrankten erfolgte in sogenannten Valetudinarien, die in ruhigen Gegenden lagen und mit Sanatorien vergleichbar sind. Zugang erhielten allerdings nur Patienten, deren Erkrankung Heilungschancen versprach.

Frühes Christentum: Nächstenliebe als Basis des Pflegeberufs

Mit der Verbreitung des Urchristentums etablierte sich eine neue Motivation in der Pflege: die der Nächstenliebe. Pflegetätigkeiten wurden im frühen Christentum unentgeltlich von Freiwilligen ohne pflegerische Ausbildung übernommen. Sie sammelten Arme und Kranke von den Straßen auf, um ihnen zu helfen.

Mittelalter: Seuchen als größte Herausforderung 

Ursprünglich hießen die Pflegerinnen in den Krankenhäusern Wächterinnen und waren ohne spezielle Ausbildung tätig
Ursprünglich hießen die Pflegerinnen in den Krankenhäusern Wächterinnen und waren ohne spezielle Ausbildung tätig © Shutterstock

Während Medizin schon früh an europäischen Universitäten gelehrt wurde, entwickelte sich die von der Nächstenliebe geprägte Pflege im Mittelalter in Orden und Klöstern weiter. Zentrale Probleme waren damals die durch Kreuzzüge eingeschleppte Lepra und die Pest, die während des 14. Jahrhunderts grassierte. Für die Erkrankten wurden Einrichtungen gebaut, in denen sie von weltlichen oder christlichen Orden betreut wurden.

Erste Lehrbücher zur Krankenpflege im 16. Jahrhundert

Im 16. Jahrhundert entstanden weitere christliche Pflegeorden, etwa der „Orden der Barmherzigen Brüder“. 1574 erschien außerdem das erste deutsche Lehrbuch der Krankenpflege (Autor war der Arzt Jakob Oetheus). 1679 erschien ein weiteres Einführungsbuch: „Der unterwiesene Kranckenwärter“ von Georg Detharding. Detharding war der Ansicht, die Pflege solle ausschließlich von Frauen ausgeübt werden. Außerdem forderte er die strikte Unterordnung der Pflegenden unter die ärztlichen Anordnungen.

Professionalisierung der Pflege im 18. und 19. Jahrhundert

Florence Nightingale (1820 bis 1910) war eine britische Krankenschwester und gilt als Begründerin der modernen westlichen Krankenpflege
Florence Nightingale (1820 bis 1910) war eine britische Krankenschwester und gilt als Begründerin der modernen westlichen Krankenpflege © Tony Baggett

Im 18. und 19. Jahrhundert wurde klar, dass an der Professionalisierung der Pflege kein Weg vorbeiführt. Die Erkenntnisse aus der Medizin machten geschultes Personal unverzichtbar. Aus den Hospitälern, die allen Notleidenden offenstanden, entwickelten sich Krankenhäuser, die sich auf die rein medizinische Versorgung spezialisierten. 1860 richtete die Britin Florence Nightingale die erste konfessionell unabhängige Krankenpflegeschule ein. Nightingales Konzept verbreitete sich im gesamten Commonwealth, in Nordeuropa und den USA. In Österreich blieb die Pflegeausbildung zunächst noch in den Händen der Orden.

Beginn des 20. Jahrhunderts: Aufbruch und Abbruch 

Ein Berufsstand organisiert sich: 1903 gründete etwa in Deutschland Agnes Karll die „Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands sowie der Säuglings- und Wohlfahrtspflegerinnen“. Karll setzte sich auch für die dreijährige Pflegeausbildung ein und prägte die Berufsbezeichnung „Krankenschwester“. Der Erste Weltkrieg stellt einen Bruch dar: Die Bemühungen in Sachen Ausbildung wurden gestoppt, die Versorgung der Kriegsversehrten ging vor. 

Krankenpflege im Nationalsozialismus

Alle weltlichen und kirchlichen Berufsorganisationen standen unter der Schirmherrschaft der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. Viele Pflegekräfte wurden gezwungen, sich im Sinne der NS-Ideologie an schlimmsten Verbrechen an körperlich oder psychisch kranken Menschen zu beteiligen. Doch es gab auch Widerstand: Ordensschwestern wie die Österreicherin Helene Kafka oder die Deutsche Anna Bertha Königsegg widersetzten sich – und mussten dafür mit ihrem Leben bezahlen.

Die Geschichte der Krankenpflege bis heute

Nach den Schrecken des Nationalsozialismus versuchten die Besatzungsmächte, die Pflege neu zu positionieren. Neu gegründete Pflegeschulen orientierten sich an internationalen Standards.

In den 1990er Jahren wurde der Personalmangel in der Pflege so akut, dass wieder vermehrt Hilfspersonal eingesetzt wurde. Gleichzeitig entwickelte sich die Pflege zu einem eigenständigen Gesundheitsberuf mit der Bezeichnung "Diplomierte Gesundheits- und KrankenpflegerInnen". Um für die speziellen Bedürfnisse unterschiedlichster PatientInnengruppen gut gerüstet zu sein, ist die Absolvierung von Zusatzausbildungen erforderlich. Zusätzlich gibt es Pflegeassistenzberufe.

Die aktuelle Pflegereform soll erneut für Verbesserungen in der Pflegeausbildung sorgen. 

Die Pflege ist in jedem Land anders geregelt. In Skandinavien oder in England etwa haben "Nurses" ein vergleichsweise sehr breites Kompetenzspektrum
Die Pflege ist in jedem Land anders geregelt. In Skandinavien oder in England etwa haben "Nurses" ein vergleichsweise sehr breites Kompetenzspektrum © Rawpixel.com

Tipp: Wer seine erste Ausbildung in einem Pflegeberuf macht, erhält einen Ausbildungszuschuss von mindestens 600 Euro pro Monat bzw. pro Praktikumsmonat. Für UmsteigerInnen, die aus einem anderen Beruf in die Pflege wechseln wie auch für WiedereinsteigerInnen gibt es während einer vom AMS geförderten Ausbildung ein Pflegestipendium von mindestens 1.400 Euro pro Monat.

Entstanden in Kooperation mit KAGes – Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft m.b.H.