Interview: Julia Rinesch

Ihr kommt nicht aus der Landwirtschaft, sondern habt beide in anderen Bereichen studiert. Wie kam es zu der Entscheidung, den Simonhof, einen Bauernhof in der Nähe von Völkermarkt, zu übernehmen?

Mario: Der Hof von Martinas Familie ist ein Erbhof, der traditionell von Generation zu Generation übernommen wird. Der Hof ist in den letzten Jahrzehnten mit Soja und Mais im Nebenerwerb bewirtschaftet worden und nachdem Martinas Eltern nun in Pension sind, hat sich die Frage der Nachfolge gestellt.

Martina: Gedanken zur Übernahme des Hofes und erste Ideen, was man daraus machen könnte, hatten wir ja schon vor 17 Jahren. Aber gut Ding will Weile haben. Auch meine Eltern mussten sich erst daran gewöhnen, dass wir einiges umstellen möchten. Aber nun ist es vollbracht und wir haben nicht nur neue Pflanzen und Anbauarten etabliert, sondern kürzlich ist auch die Marke „Karinta“ daraus entstanden, auf die wir beide sehr stolz sind. Bald wird es unter „Karinta“ Produkte zu kaufen geben.

© Christian Schütz

Was genau habt ihr beide denn vorher gemacht? Könnt ihr aus eurem beruflichen Vorwissen etwas mitnehmen für eure Arbeit in der Landwirtschaft?

Martina: Ich habe vor „Karinta“ Anglistik und Medienwissenschaften studiert, dann in unterschiedliche Positionen im Marketing und Eventmanagement gearbeitet und letztendlich bei einer großen Firma die Nahrungsergänzung kennengelernt. Dort ist dann auch die Leidenschaft für dieses Thema entfacht worden. Neben „Karinta“ ist ja die Marke „Vigeovit“, meine eigens entwickelte Nahrungsergänzungsmittel-Marke, ein ganz großes Thema in meinem und unserem Leben.

Mario: Ich komme ursprünglich aus der Steiermark, meine Großeltern haben eine ganz kleine Landwirtschaft gehabt mit Kleinvieh und einem Acker. Aber das war nicht mein Zugang, ich bin Quereinsteiger, habe an der TU Graz Wirtschaftsingenieurwesen – Bauwesen studiert und bin heute hauptberuflich Teamkoordinator bei einer Einrichtung der Caritas. Ein bisschen fühlt es sich an wie ein Leben in zwei Welten. Und doch lassen sich mein sozialer Beruf und die Landwirtschaft im Nebenerwerb wunderbar miteinander kombinieren.

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Was genau sind denn eure Visionen, die ihr mit eurem Hof verfolgt?

Martina: Wir sind generell sehr gesundheitsbewusst. Gutes Essen und ein gesundes Leben sind uns wichtig und auch, wo die Lebensmittel herkommen. Deshalb versuchen wir, Kulturen und Pflanzen zu finden, die zu unseren Klimaveränderungen passen und eine gewisse Biodiversität bieten. Und wir möchten hier am Simonhof auch vieles ausprobieren, um unser Wissen letztendlich an andere weitergeben zu können, etwa durch Seminare am Simonhof. Daher bauen wir beispielsweise eine sehr seltene, alte Roggensorte an. Der Ertrag ist damit zwar geringer, aber die Wertschöpfung und Wertschätzung höher. Und wir können so unsere noch teils konventionellen Ackerflächen besser bewirtschaften, da diese alte Sorte weniger anfällig für Krankheiten ist, keine Düngung und Pflanzenschutzmittel benötigt. Außerdem ist das Brot, das ich daraus backe, herrlich dunkel, sehr gesund und schmeckt wunderbar. Das wird es später als Brotbackmischung bei uns zu kaufen geben.

Mario: Wir versuchen generell, gute Kompromisse zu finden. Voll auf Bio umzustellen, spielt sich bei uns noch nicht. Dafür bräuchten wir sehr viele Geräte zur maschinellen Unkrautbekämpfung, die wir noch nicht haben. Besonders Martina hat sich da in den letzten Jahren sehr viel Wissen angeeignet und wir versuchen, einen gesunden Mittelweg zu gehen. Doch wir haben bereits einen ersten Schritt in Richtung Bio gemacht – mit der ersten Bio-Edelkastanienplantage in Kärnten auf einer ca. einen Hektar großen Fläche. Dafür sind wir anfangs sehr belächelt worden, denn es heißt, Edelkastanien würden bei uns in Kärnten nicht wachsen. Aber mittlerweile werden wir mit unserem Tun erst genommen.

Martina: Deshalb werden wir die Fläche auf rund vier Hektar erweitern, das sind dann doch über 300 Bäume, die wir pflanzen möchten. Man unterschätzt, wie viel Arbeit und Liebe in so einem Projekt stecken, allein die Planung hat fast zwei Jahre gedauert. Man bekommt die veredelten Pflanzen nicht so einfach, vor allem nicht in dieser Stückzahl und Qualität. Aber es zeigt sich, dass sich die Vorbereitung gelohnt hat. Die Kastanien wachsen und gedeihen.

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An Ideen mangelt es euch beiden nicht. Gebt ihr uns einen Einblick?

Martina: Ach, da war schon vieles im Gespräch. Etwa eine Blutegel-Zucht, da wir so viel Wasser am Hof haben. Der Anbau von Reis war eine Idee, die wir sogar kurz ausprobiert haben. Und ganz zu Beginn haben wir sehr mit einer alten Wildschweinrasse geliebäugelt. Und was noch auf unserer Liste steht, ist Kaffee aus unserer alten Roggensorte oder Soja. Schier unendliche Möglichkeiten zu haben, ist manchmal auch eine Herausforderung. Wir haben aber aus der Erfahrung gelernt und sind mittlerweile sehr fokussiert. Nicht jede innovative Idee schafft es bis zur Umsetzung. Letztendlich ist unser übergeordnetes Ziel aber, Nischenprodukte zu finden, die unserem kleinen Betrieb ein Auskommen bieten.

Mario: Da ich ein fixes Gehalt aus meinem Hauptberuf habe und Martina ihre Marke „Vigeovit“ ausbaut, haben wir den Luxus, einfach probieren zu können. Wir müssen noch nicht von dem leben, was der Hof abwirft. So hat man viel mehr Möglichkeiten, als wenn man davon eine Familie ernähren muss. Eine Idee, die wir 2015 wirklich gerne umgesetzt hätten, war eine Agrophotovoltaik-Pilotanlage. Hier wird eine Ackerfläche mit einem aufgeständerten Solar-Dach beschattet, darunter können Pflanzen kultiviert werden. Wir hätten so grünen Strom produziert und ein Geschäftsmodell für Landwirte entwickeln wollen. Aber mit diesem Projekt sind wir leider am Land Kärnten gescheitert.

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Woher kommt eure Motivation, einfach immer wieder etwas Neues auszuprobieren? Habt ihr keine Angst, zu scheitern?

Martina: Nein, eigentlich nicht. Mein Schwiegervater war auch schon immer sehr begeisterungsfähig und definitiv ein Motivator für mich. Und ich gehe ja jedes Projekt recht wissenschaftlich an. Zuerst lese ich viel und bilde mich (fach-)spezifisch weiter. Und erst, wenn ich das Gefühl habe, mich auszukennen, dann wagen wir den Versuch. Daher ist unser Edelkastanien-Projekt so etwas Besonderes für mich. Wir hegen und pflegen die Bäumchen wie unsere Babys. Wir bewässern sogar von Hand (lacht).

Mario: Einen Bonus, den wir beide haben, ist sicherlich, dass wir so wunderbar an einem Strang ziehen. Wir reden irrsinnig viel über unsere Ideen und Projekte und träumen auch gerne gemeinsam. Und wir brauchen nicht viel, um glücklich zu sein. Status ist uns nicht wichtig – vielleicht fällt es uns auch deshalb leichter, etwas auszuprobieren. Wir müssen keine Millionen damit verdienen, wir sind sehr zufrieden, so wie es jetzt ist.

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Martina, eines deiner Babys ist ja definitiv „Vigeovit“. Was unterscheidet denn deine Nahrungsmittelergänzungslinie von anderen?

Martina: „Vigeovit“ ist tatsächlich ursprünglich ganz eigennützig entstanden. Ich bin sehr starke Allergikerin und habe demnach immer mit dem Immunsystem zu kämpfen. In meinen Schwangerschaften zu unseren beiden Töchtern und den Jahren danach habe ich sehr intensiv an Rezepturen gefeilt, die mir ganz persönlich wirklich gut helfen. Und dann war für mich klar: Was mir guttut, das kann auch anderen guttun. Und so wurde nach und nach alles immer professioneller und auch größer.

Mario: Ganz besonders bemerkenswert finde ich, dass Martina alle Produkte ihrer Marke in Österreich produzieren lässt. Es werden keine Zusätze verwendet und die Qualität der einzelnen Inhaltsstoffe ist extrem hoch. Und alles ist transparent, Martina steht auch selbst gern Rede und Antwort, falls es Fragen gibt. Sie ist eine echte Lebensmittelexpertin. Man spürt einfach, dass sie für ihre Produkte brennt und jahrelang Zeit und Herzblut in die sorgfältige Entwicklung investiert hat. Es ist heutzutage selten, dass ein Produkt langsam wachsen darf und somit die Zeit hat, immer besser und besser zu werden, bis man sagen kann: Jetzt ist es perfekt!

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Nahrungsmittelergänzung für Tattoos: Und auch hier bist du Pionierin mit einem Produkt, das es so sonst noch nirgends gibt, richtig?

Martina: Genau. Auf die Idee gebracht haben mich etliche Freunde, die sich tätowieren haben lassen. Wenn man sich so ein frisch gestochenes Tattoo ansieht, dann wird schnell klar, dass die Haut Stress hat. „Vigeovit Tatau“ ist ein hypoallergener Mikronährstoffkomplex, der die Haut in dieser Zeit schützt und von innen unterstützt. Ich selbst habe kein Tattoo, aber ich habe schon so viele positive Rückmeldungen von Kunden bekommen – und die bestärken mich.

Wetten, du hast schon Pläne, wie du „Vigeovit“ und den Simonhof kombinieren kannst?

Martina: Stimmt! Es wäre natürlich mein Traum, dass wir einige der Inhaltsstoffe irgendwann selbst anbauen können. Hagebutten – ein heimisches Superfood – enthalten beispielsweise viel Vitamin C und wachsen in unseren Breitengraden sehr gut. So würden wir den CO2-Fußabdruck für „Vigeovit“ noch weiter reduzieren und die Wertschöpfung steigern. Es bleibt spannend.