Erst betäuben, dann einfangen, schließlich lebendig verbrennen: "Bestialischen Umgang" mit herrenlosen Hunden werfen Tierschützer in der Ukraine den Behörden der Ex-Sowjetrepublik vor. In mehreren Städten seien Streuner in "mobilen Krematorien" auf grausame Weise getötet worden, sagt Tamara Tarnawska von der Bürgerinitiative SOS in der Hauptstadt Kiew. Erst nach internationalen Protesten sei die Praxis gestoppt worden - zumindest offiziell. "Keiner weiß, ob die Öfen tatsächlich abgeschafft wurden", betont Tarnawska. Die "Krematorien" waren 2009 angeschafft worden, laut Haushaltsplan als "umweltfreundliche Maßnahme". Reaktionen aus der Bevölkerung etwa in den Städten Lisitschansk und Mariupol zeigen, dass die Mehrheit den kompromisslosen Kampf begrüßt. Aus Sicht vieler Menschen werden verwilderte Hunde, die Kinder angreifen und Passanten beißen, zunehmend zur Plage.

Vierbeinige Verlierer der Krise

In Kiew haben sich - wie in anderen ukrainischen Städten - die Straßenhunde vor allem seit der Finanzkrise 2008 sprunghaft vermehrt. Allein in der Hauptstadt wird ihre Zahl mittlerweile auf 11.000 geschätzt. Viele Menschen setzten ihre Haustiere einfach aus, weil ihnen der Unterhalt zu teuer wurde. Heute suchen die ausgemergelten Vierbeiner sogar in dicht besiedelten Gebieten Kiews im Müll nach Fressen.

"Seit 2007 gibt es in Kiew Projekte zur Sterilisierung von Hunden und Katzen", teilt eine Verwaltungssprecherin auf Anfrage der dpa mit. Für 2011 stünden dafür rund 1,4 Millionen Euro bereit. "Zudem berät die Hauptstadt über den Bau eines Tierheims", betont sie. Ob es soweit kommt, ist unklar. "Das Geld wandert in die Taschen der Politiker", vermutet Tarnawska. Sie hatte sich in einem scharfen Appell auch an die Europäische Fußball-Union (UEFA) gewandt, die 2012 in Polen und der Ukraine die Europameisterschaft veranstaltet. "Die EM wird auf Plätzen gefeiert, die mit dem Blut von wehrlosen Tieren besudelt sind", sagt die Aktivistin mit drastischen Worten.

Lebendig verbrannt

Wenn es Nacht wird in der Ukraine, ziehen die Hundefänger nach Angaben der Bürgerinitiativen los. Zwei Männer fangen die Tiere, indem sie Köder mit Betäubungsmittel auslegen. Die oft ausgehungerten Vierbeiner sind in benommenem Zustand leicht zu fangen. Die Männer verpacken die Streuner in Kartoffelsäcke und werfen sie in einen Wagen. Nachdem einige Stellen abgeklappert sind, werden die Hunde zu einer Sammelstelle gefahren, wo ein dritter Mann mit dem "mobilen Krematorium" wartet. Die Ladeklappe wird geöffnet und der Straßenhund ins Feuer geworfen, so die übereinstimmenden Recherchen der Tierschützer. Die Kommunen wollen sich dazu nicht äußern.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 wurde in dem zweitgrößten Land Europas laut einer amtlichen Statistik kein einziges staatliches Tierheim gebaut. Die verbliebenen Einrichtungen seien "Sammelstellen", in denen die Vierbeiner systematisch getötet werden, kritisieren Bürgerinitiativen. Für ein Sterilisierungsprojekt überwies die UEFA vor kurzem zwar rund 8.600 Euro an den Co-Gastgeber der EM 2012. Für die Aktivisten ist dies aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.