G eliebtes Kleines, dem Zwerg habe ich eben einen Pass für die bessere Welt verschafft, und so ergeht es allen Verrätern. Herzliche Glückwünsche zum Geburtstag. Küsse Carlos.

So war er, der gefürchtetste Terrorist der 70er- und 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts, dem erst im August 1994 im Sudan das Handwerk gelegt werden konnte. Er tötete seine Freunde, wie den "Zwerg" Michel Mourkabel, der ein langjähriger Weggefährte war, und er liebte die Frauen. Wie die in London lebende 22-jährige Kellnerin Angela Ortaola, an die der brutal-zärtliche Brief adressiert war. Der Name des Killers, den die Briten in Anlehnung an den Frederic Forsyths Bestseller den "Schakal" nannten: Ilich Ramirez Sanchez. Der Kampfname: Carlos.

Aber selbst der bürgerliche Name ist bereits massiv ideologisch besetzt. In tiefer Verehrung für Wladimir Iljitsch Lenin hat Vater Sanchez dem Erstgeborenen den Namen Ilich gegeben. Der zweite Sohn heißt Lenin, der dritte Vladimir.

KP-Millionär

Aber kommunistisch war nur die Ideologie der Familie, nicht aber das Alltagsleben. Da es der Vater der drei Buben als Rechtsanwalt und Grundstücksmakler zum Dollar-Millionär gebracht hatte, genoss die Familie, die in einem vornehmen Viertel in Caracas, der Hauptstadt Venezuelas residierte, die süßen Seiten des Kapitalismus. Statt des üblichen Schulbesuchs gab es Privatunterricht. Und statt die Buben auf ein Arbeitsleben vorzubereiten, wurden sie von mehreren Bediensteten verwöhnt. Eine davon, ein katholisches Kindermädchen, das den Namen Ilich nicht in den Mund nehmen wollte, nannte ihren kleinen bummeligen Schützling lieber "Carlos".

Es ist geradezu erstaunlich, dass der Mann bis zum 27. Juni 1975 so gut wie unbekannt geblieben war. Erst der eingangs erwähnte Mord in der Pariser Rue Toullier 9 am linken Seine-Ufer machte Carlos international zu einem Synonym für Schrecken und Tod. "Er ist ein Macho, der das Töten liebte", soll ein französischer Terror-Fahnder später von ihm sagen.

Aber schon vor dem Juni 1975 hatte Carlos bereits einige Sprengstoffanschläge und Attentate organisiert und daran auch teilgenommen. 1973 verübte er einen Mordanschlag auf den jüdischen Geschäftsmann Joseph Sieff, Direktor von Mark & Spencer in London. Auch übernahm er die Verantwortung für einen gescheiterten Bombenanschlag auf eine israelische Bank in London und für einen Autobombenanschlag auf drei französische Zeitungen, denen man pro-israelische Berichterstattung vorwarf. Dazu kamen im Jänner 1975 noch zwei gescheiterte Panzerfaust-Anschläge auf El-Al-Flugzeuge auf dem Pariser Flughafen Orly.

Wenig ist von den Motiven bekannt, die Carlos zum Terrorismus brachten. Sicher ist nur, dass er erste internationale Kontakte zu radikalen Bewegungen aus Ländern der Dritten Welt mit 19 Jahren an der Moskauer Patrice-Lumumba-Universität in Moskau schloss, wohin ihn sein Vater zum Studium geschickt hatte. Über eine Freundschaft zu einem Jordanier, machte Ilich das Anliegen radikaler Palästinenser zu seinem eigenen: den Kampf "gegen den internationalen Zionismus mit den Mitteln des internationalen Terrorismus".

Wirklich Angst bekam die Welt vor dem Mann, der sie in einen Abgrund von Terror und Anarchie stürzen und der den verhassten Kapitalismus in einem Blut von Meer ertränken wollte, erst nach dem Anschlag von Wien.

Es war Sonntag, der 21. Dezember 1975. Ein besonderer Tag, zumindest für Schifans. Hansi Hinterseer setzt beim Weltcupslalom in Schladming zum Sieg an. Es ist 11.35 Uhr, als fünf Männer und eine Frau die Wache vor dem Opec-Hauptquartier am Karl-Lueger-Ring in Wien passieren. Sie tragen Sporttaschen und grüßen freundlich. Wenig später wird die Sportübertragung unterbrochen und die Nachrichtensprecherin Annemarie Berthè fordert Einheiten der Wiener Polizei auf, einzurücken.

Denn kaum waren die Sechs im Inneren des Gebäudes, packen sie ihre Waffen aus, töten drei Menschen und nehmen weitere 62 - unter ihnen elf Minister - als Geiseln.

Geld fürs Leben

Carlos wollte vor allem den saudischen Erdölminister Yamani ermorden. Der Scheich bot für sein Leben 60 Millionen Schilling auf, und blieb verschont. Die Terroristen aber wurden nach einem elfstündigen Nervenkrieg nach Schwechat eskortiert und dort per Handschlag von Innenminister Otto Rösch verabschiedet. Dann wurden sie nach Algier ausgeflogen.

Mit diesem Coup stellte sich Carlos aber selbst ins Abseits. Die radikale Palästinenserorganisation PFLP von Georges Habasch wirft ihn raus und er gründet seine eigene Terror-Organisation. Diese unterhält Kontakte zu RAF, ETA und IRA. Anschläge in Paris und Marseilles und Berlin folgen. Und die Zahl der Toten steigt. 83 waren es insgesamt.

Der Karriereknick kommt für Carlos mit dem Fall des Eisernen Vorhangs, als seine Freunde in der DDR und in Ungarn ihre Macht verlieren. Nachdem die Jemeniten, die Syrer und auch Muammar Gaddafi ihn nicht mehr haben wollen, geht er in den Sudan. Dort wurde er festgenommen und in Paris am 23. 12. 1997 zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Welt hat seither von dem mörderischen Psychopathen ihre Ruhe.