Herr Professor, können Tiere als Ersatz für menschliche Beziehungen herhalten?

KURT REMELE: Für alte oder einsame Menschen kann eine enge Beziehung zu einem Tier eine Hilfe sein. Das darf aber nicht nur als Ausrede dienen, sich nicht auch um Beziehungen zu Menschen zu kümmern. Wir laufen generell Gefahr, unsere Tiere zu sehr zu vermenschlichen.

Eine Art sanfte Tierquälerei?

REMELE: Mitgefühl und artgerechtes Halten heißt immer auch: Man soll die Eigenart des Tieres respektieren und nicht menschliche Bedürfnisse in Tiere hineinprojizieren. Wenn man für den Hund eine Geburtstagsparty hält, hat der Mensch was davon, aber gewiss nicht das Tier.

Woran liegt's, wenn manchen Menschen Tierleid mehr zu Herzen geht als etwa das Schicksal des Bettlers auf der Straße?

REMELE: Viele Menschen verbinden mit Tieren Hilflosigkeit - ähnlich wie bei Babys. Beim Bettler haben manche das Gefühl, er könnte sich selbst helfen - oder zum Pfarrer Pucher gehen. In der Ethik ist es uns ein Anliegen, gleichsam Verantwortung gegenüber Mitmenschen und Tieren zu entwickeln. Es ist schade, wenn Menschen in ihrem Mitgefühl gespalten sind.

Auch was Mitgefühl und Gespür für Nicht-Haustiere betrifft?

REMELE: Schweine sind intelligent wie Hunde, doch die einen essen, die anderen verhätscheln wir. Da haben wir uns eine Trennung und Verdrängung angewöhnt. Auch wenn sich vieles ändert, Stichwort Vegetarier. Wenn man an Zwischenfälle mit Kühen auf der Alm denkt, sieht man aber: Es ist vielen das Gespür für Eigenart und Unberechnbarkeit von Tieren abhandengekommen. INTERVIEW: ULI DUNST