"Die Frage ist, ob Autos durch mögliche Kartellabsprachen auf einem schlechteren technischen Stand verkauft wurden, als sie hätten sein können", erklärt Christian Kersting von der Universität Düsseldorf.

"Das könnte ein argumentativer Ansatz sein. Klagen von Autokäufern sind deshalb nicht ausgeschlossen." Vor Gericht sei es aber sehr schwer nachzuweisen, dass ein finanzieller Schaden entstanden sei, sagte der Rechtsprofessor der dpa.

Milliardenschwere Strafen drohen

Deutsche Autobauer stehen einem Bericht zufolge unter dem Verdacht jahrelanger illegaler Absprachen zu Lasten von Verbrauchern und Zulieferern. VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler sollen sich in einem Kartell über Technik, Kosten und Zulieferer abgesprochen haben, wie der "Spiegel" meldete. Die Autobauer schweigen bisher dazu

Sollte sich der Verdacht bestätigen, dürfte es für die Konzerne teuer werden. Ihnen droht dann eine Kartellstrafe, die theoretisch im Milliardenbereich liegen kann. Dazu können Klagen von Firmen und Privatpersonen kommen, die sich um ihr Geld gebracht sehen.

Der Chef des deutschen Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, hält es nach dem Bericht für geboten, dass zum "Diesel-Gipfel" in Berlin am 2. August auch Verbrauchervertreter geladen werden. "Die Dieselbesitzer stehen vor einem Totalschaden", sagte er der "Bild"-Zeitung (Samstag). "Sie könnten für ein womöglich unzulängliches Auto einen durch Kartellabsprachen in die Höhe getriebenen Preis gezahlt haben." An den Beratungen, bei denen Lösungen zur Senkung des Diesel-Schadstoffausstoßes gefunden werden sollen, nehmen bisher nur Vertreter aus Konzernen und Politik teil.

"Autokäufer dürfen nicht für Nachrüstung zahlen"

Für die angestrebten Abgas-Nachrüstungen bei Millionen Dieselautos müssen aus Sicht des deutschen Verbraucherministers Heiko Maas die Hersteller aufkommen. "Die Kosten dürfen nicht an den Autokäufern hängenbleiben", sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

"Sie haben es nicht zu verantworten, wenn eine zweifelhafte oder manipulierte Software in ihrem Auto ist." Es sollte im eigenen Interesse der Branche liegen, ihre Glaubwürdigkeit und damit auch viele Tausend Arbeitsplätze in Deutschland zu bewahren.

Bei einem "Diesel-Gipfel" am 2. August will die deutsche Regierung mit mehreren Ländern und Autobauern Schritte für einen geringeren Schadstoffausstoß festlegen. Dabei geht es auch darum, Modelle der Emissionsklassen Euro 5 und 6 mit neuer Software nachzurüsten.

Klagemöglichkeiten

Zur Frage einer möglichen Kostenbeteiligung des Staates sagte Maas: "Das ist zunächst eine Frage zwischen den Vertragspartnern - dem Kunden und dem Autohersteller." An dem "Nationalen Forum Diesel" nimmt das Verbraucherressort selbst nicht teil.

Maas sprach sich für weitere Konsequenzen aus dem VW-Skandal und auffälligen Abgaswerten auch bei anderen Herstellern aus. "Es wäre sinnvoll, wenn es beim Kraftfahrt-Bundesamt so etwas wie einen Verbraucherbeirat gäbe, damit dort von Anfang an die Interessen der Kunden nicht unter den Tisch fallen." Dem Flensburger Amt wurde oft eine zu große Nähe zur Industrie vorgeworfen.

Der Minister warb erneut für neue Klagemöglichkeiten in derartigen Massenfällen. Ein Verband sollte vor Gericht ziehen und ein grundlegendes Urteil herbeiführen können: "Wir brauchen endlich ein Instrument, mit dem Kunden sich gegen große Konzerne, die massenhaft Schaden verursachen, gemeinsam zur Wehr setzen können, ohne ein großes Kostenrisiko einzugehen. Das würde dafür sorgen, dass nicht nur Anwaltskanzleien an den Verfahren verdienen, sondern viele betroffene Kunden ihr Recht bekommen." Die Große Koalition in Deutschland hat sich nicht mehr auf solche Musterfeststellungsklagen verständigen können.

Eigene Arbeitsgruppen

Zur Planung des "Diesel-Gipfels" kursieren unterdessen erste Details. So soll es bei den diskutierten Lösungen ausschließlich um Updates von Software gehen, wohl aber nicht um mögliche Nachrüstungen ganzer Bauteile, hieß es aus Kreisen der Grünen-Bundestagsfraktion. Es werde außerdem Arbeitsgruppen geben, die sich mit Themen wie E-Mobilität im Nah- und Lieferverkehr, Verkehrslenkung und allgemein dem Umbau der Autoindustrie beschäftigen sollen. Die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte Ende April bereits als Ziel ausgegeben, dass die Hersteller ihre Pkw auf eigene Kosten nachrüsten und so die Stickoxid-Emissionen um mindestens die Hälfte senken sollen.

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