Das 1969 von Peter Palitzsch in Stuttgart für den deutschen Sprachraum entdeckte Stück des Briten John Hopkins (1931-1998) ist schnörkellos gebaut und reiht drei jeweils einstündige Zweier-Konfrontationen aneinander, in denen stets der Polizist Johnson im Mittelpunkt steht. Im ersten Akt wartet er in seiner Wohnung um halb drei Uhr morgens auf die Information, ob der von ihm im Verhör zusammengeschlagene Verdächtige im Krankenhaus gestorben ist, und gerät unter ständigem Trinken in eine Auseinandersetzung mit seiner Frau. Im zweiten Akt muss er sich selbst einem Verhör durch einen Vorgesetzten stellen. Im Finalakt sieht man schließlich, was sich wirklich zwischen dem Ermittler und dem mutmaßlichen Kinderschänder abgespielt hat.

Martin Zehetgruber hat einfache, zeichenhafte Räume gebaut: einen Breitwand-Wohnzimmerverbau mit einem wahren Gruselkabinett aus Porzellanfiguren, künstlich und zerbrechlich wie die langjährige, an einem Tiefpunkt der Sprachlosigkeit angekommene Ehe der Johnsons; einen nüchternen, kalten, vor das vitrinenartige Wohnzimmer gestellten Besprechungsraum; einen ebenfalls dicht vor den Zuschauern angesiedelten Verhörraum, der offenbar im Umbau befindlich ist und in dem Psyche und Körper des Festgenommenen gründlich dekonstruiert wird.

"Diese Geschichte von Ihnen geht nicht auf", lautet der titelgebende, zentrale Satz des Stücks. Warum der verhaftete Baxter, über den man wenig mehr erfährt, als dass er sich arrogant und eloquent gegen das ihm zu Last Gelegte verwehrt, sich tatsächlich nachts mit deutlichen Blut- und Schmutzspuren an Händen und Kleidung just in jenem Wäldchen herumgetrieben hat, in dem ein missbrauchtes Mädchen gefunden wurde, bleibt unklar. Deutlich wird jedoch, dass Johnson nie den leisesten Zweifel daran hat, den Täter vor sich zu haben, und dass er die Gunst der Stunde nutzen möchte, ihm ein Geständnis rauszuprügeln.

Es ist ein Abend der extremen Körperlichkeit, wie geschaffen für die intensive Bühnenpräsenz von Nicholas Ofczarek, dessen Spiel keine Sekunde Pause kennt, und der diese Aufführung führt und prägt. In der nächtlichen häuslichen Begegnung mit der aus dem Bett gerissenen, ein letztes Mal um ihren sich ihr schon lange entfremdeten Mann kämpfenden Ehefrau (zwischen Zuneigung und Verzweiflung zerrissen: Andrea Clausen) tänzelt er wie ein angeschlagener Boxer einen absurden Tanz zwischen Hausbar, Telefontischchen und Plattenschrank und zögert kein Bisschen, in der ausbrechenden Zimmerschlacht seine körperliche Überlegenheit auszuspielen.

In diesem seit 20 Jahren auf der Karriereleiter feststeckenden Polizei-Sergeant schlummern allerhand Kräfte, die er nicht wahrhaben möchte, Gekränktheiten und Frustrationen, das Gefühl des zurückgesetzt Seins, unausgelebte Sehnsüchte und unaufgearbeitete Ängste - dies macht Ofczarek schon im ersten der drei Akte so deutlich, dass kaum mehr verwundert, was Roland Koch als manisch dauerrauchender, genervter und zunehmend irritierter Chefinspektor und vor allem die ohne Zeugen ablaufende (Benjamin Cabuk als stummer Kollege wird grob vor die Türe geschickt) Konfrontation mit dem Verdächtigen zutage fördert. Dass Gut und Böse, Täter und Opfer, näher beisammen sind als man wahrhaben möchte, dass in jedem von uns ein kleiner Gewalttäter und Kinderschänder schlummert, ist eine Botschaft, die sich schon bald vermittelt.

Doch auch ohne neue Erkenntnis ist es ein Genuss, nach der Pause dem Duell zweier Männer und zweier grundverschiedener Darsteller-Typen zuzusehen: Der körperliche Instinkt-Schauspieler Ofczarek und der schmale, feinnervige Intellektuelle August Diehl schenken einander nichts. Das Verhör ist schon bald ein mit ganzer Brutalität geführter Endkampf, bei dem der Verdächtige ahnt, dass er den Raum nicht mehr lebend verlassen wird. Und als Zuschauer ist man froh, dass am Ende nicht wie in Ferdinand von Schirachs Gerichtsdrama "Terror" im Publikum über Schuld oder Unschuld abgestimmt wird. So kann das Urteil eindeutig ausfallen: großer Jubel und viele Bravos für das ganze Team, vor allem aber für Ausnahmeschauspieler Nicholas Ofczarek.