Herr Fritz, 1988 wurden Sie mit dem Buntstift-Streich in „Wetten, dass“ bekannt, jetzt stellt das ZDF die Sendung ein. Sind Sie traurig, dass der TV-Klassiker aus dem Programm verschwindet?

Bernd Fritz: Ja, denn ich wollte mich mit einer tollen neuen Wette einbringen. Nämlich, dass ich 36 verschiedene Bordeaux-Jahrgänge erkennen kann – am Etikett. Daraus wird aber wohl nichts mehr.

Damals waren Sie Chefredakteur des Satiremagazins „Titanic“, heute arbeiten Sie unter anderem als Weinjournalist …

Fritz: In den Redaktionen wird natürlich oft gewitzelt, dass ich prädestiniert bin für den Job, denn wer hat schon ein Sensorium, mit dem er 36 Buntstifte am Geschmack unterschieden kann? In Wahrheit schmecken Buntstifte übrigens alle gleich. Da ist hauptsächlich Tonmehl und ein bestimmtes Öl drin, das schmeckt man, das Farbpigment selber dagegen nicht.

Hat das ZDF Sie zum Abschied in die Show eingeladen?

Fritz: Nein, da habe ich keine Anfrage erhalten. Aber das würde ja auch voraussetzen, dass beim ZDF jemand die Größe hätte, über diese Blamage zu lachen. Dabei hat der Sender im Grunde von meinem Streich profitiert: „Wetten, dass“ wird schon allein deswegen im kollektiven Gedächtnis bleiben, weil die Leute sich für alle Zeiten an die Buntstiftwette erinnern werden. Ich werde immer noch oft darauf angesprochen.

Schauen Sie sich das Finale am Fernseher an?

Fritz: Nein, um Gottes Willen. Ich schaue die Sendung nicht mehr, seit Thomas Gottschalk Michelle Hunziker als Assistentin brauchte, das fand ich ein bisschen jämmerlich. Aber ich habe „Wetten, dass“ sowieso selten geguckt. Man hat ja Samstagabends etwas Besseres vor, als vor der Glotze zu sitzen. Nur eine Ausgabe habe ich mir bewusst angeschaut, nämlich die Show nach der Buntstift-Sendung. Da war ich schon neugierig, wie Thomas Gottschalk auf die Sache eingeht.

Wie ist er mit dem TV-Skandal umgegangen?

Fritz: Er hat sich schadlos gehalten und zurückgescherzt, das ist ja legitim. Was kaum jemand weiß: Thomas Gottschalk ist langjähriger Leser der „Titanic“. Er hat damals am Sonntag nach der Show in der Redaktion angerufen und hat uns zu dem Streich gratuliert. Ich finde es im Grunde schade, dass mein Streich ihn getroffen hat. Ich hätte lieber Frank Elstner reingelegt, den fand ich nicht so sympathisch.

Was halten Sie von Markus Lanz als Gottschalks Nachfolger?

Fritz: Ich habe nur seine allererste Show anguckt, weil ich für eine Zeitung etwas darüber schreiben sollte. Meine Meinung ist: Ein Showmaster muss für die große Bühne eine gewisse Ausstrahlung mitbringen. Eine große Fernsehshow braucht Typen wie Frankenfeld, Kulenkampff und Gottschalk, aber keinen Talkmaster wie Lanz. Man kann „Wetten, dass“ nicht auf ein Talkformat schrumpfen.

Ist das Ende von „Wetten, dass“ mehr als nur die Einstellung einer beliebigen Sendung, sagt es etwas über die Gesellschaft aus?

Fritz: Ach nein, über die Gesellschaft dürfte das nichts Erkenntnisförderndes aussagen. So eine Show ist einfach Unterhaltung, und jetzt wird das Publikum davon halt nicht mehr unterhalten. Meinetwegen sollen sie sich noch mehr solcher Shows ausdenken, gerne auch mit Markus Lanz und Cindy aus Marzahn, das ist immer noch besser als mehr und mehr Krimis zu produzieren. Denn das ist für mich die spannendere Frage: Wie wirkt es sich auf das Publikum und die Gesellschaft aus, wenn das öffentlich-rechtliche Fernsehen dauernd Filme zeigt, die von der Nachtseite des Menschen handeln? Das Programm wimmelt nur so vor Krimis – als wäre die Menschheit ein verrotteter Haufen von Perversen.

Hatte Ihr Streich damals einen gesellschaftskritischen Aspekt?

Fritz: Im Vordergrund stand der Reiz, ob die Sache tatsächlich gelingt. Es war eine klassische Eulenspiegelei. In zweiter oder dritter Linie ging es vielleicht darum, einen erzieherischen Effekt zu erzielen – dass die Leute nicht alles glauben sollen, was man ihnen erzählt. Nach meinem Auftritt wurden dann ja diese speziellen Sichtschutzbrillen eingeführt, die es potentiellen Schwindler schwerer machten. Insofern habe ich zur Qualitätssteigerung der Sendung beigetragen (lacht).

Wie waren Sie überhaupt auf die Idee gekommen?

Fritz:Durch Zufall. Ein junger Grafiker aus München hatte dem ZDF aus Jux die Wette angeboten, er könne Buntstifte am Geschmack erkennen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass das ZDF darauf eingeht. Als der Sender die Wette annahm, war er ganz erschrocken. Da er aber Titanic-Stammleser war, kam er auf die Idee, in der Redaktion anzurufen und zu fragen: Wollt ihr das nicht übernehmen? Wir haben natürlich sofort gemerkt, dass das eine tolle Gelegenheit für eine satirische Aktion ist, und sind darauf eingestiegen.

Waren Sie in der Show damals sehr aufgeregt?

Fritz: Die Dimensionen des Ganzen, dass da 20 Millionen Leute zugucken, hatte ich nicht im Blick. Vielleicht hätte ich dann ja Bammel gekriegt. Aber ich war so darauf fokussiert, dass die Sache klappt, dass ich nicht nervös war. Ich hatte mir vor den Proben zur Sendung für alle Fälle ein Schlupfloch geschaffen, meine Nase mit Rheumasalbe eingerieben und behauptet, ich habe Schnupfen und könne deshalb nichts schmecken. Als ich dann aber merkte, dass ich an der zugeklebten Skibrille sehr gut vorbeilinsen kann, war mein Schnupfen schlagartig weg.

Sie mussten damals nach Ihrer Enthüllung, dass Sie bei der Wette gemogelt hatten, unter Pfiffen das Studio verlassen…

Fritz: Die Leute haben gepfiffen, weil ich nicht verraten wollte, wie ich das gemacht hatte. Die haben Gott weiß was vermutet. Dass ich in einem hohlen Zahn einen Empfänger hätte und ein Komplize mir die Farben der Stifte durchgeben würde zum Beispiel. Als ich sagte: Das könnt ihr in der nächsten „Titanic“ lesen, waren sie enttäuscht.

Wurden Sie in den Tagen nach der Show stark angefeindet?

Fritz: Nein. Ich habe zwar sicherheitshalber nach der Sendung mein Aussehen verändert, meinen Schnurrbart abrasiert und zusätzlich Hut und Brille aufgesetzt, damit mich niemand erkennt. Aber die meisten fanden es gut, dass ich die Institution ZDF reingelegt hatte.