Joaquin "El Chapo" Guzman wird wohl demnächst wieder im Drogengeschäft sein. Wenn er nicht in den kommenden Tagen erwischt wird, dürfte er laut Experteneinschätzung bald wieder an der Spitze des Sinaloa-Kartells stehen. Und dann sind die mexikanischen Ermittler wieder dort, wo sie im Februar 2014 waren. Doch was bedeutet dies für Mexikos Kartelle insgesamt und den Drogenkrieg?

Nach der Verhaftung Guzmans und zahlreicher anderer Bosse mehr oder weniger alteingesessener Organisationen in den vergangenen Jahren sind neue Kartelle entstanden, die um Einfluss ringen. "El Chapos" Rückkehr auf den Thron des Sinaloa-Kartells lässt wohl neue Konflikte befürchten. Experten wiesen darauf hin, dass die Geschäfte der Sinaloa-Föderation so gut wie eh und je liefen. Unter der Oberfläche brodelte es aber zwischen den Satrapen Guzmans, berichtete etwa die britische Zeitung "The Guardian" im vergangenen Februar.

Die Verhaftung Guzmans verkaufte die mexikanische Regierung im Vorjahr als großen Erfolg, ebenso die Festnahmen von Hector Beltran Leyva, Chef des gleichnamigen Kartells, Vicente Carrillo Fuentes, Boss des Juarez-Kartells und zuletzt von "Los Zetas"-Chef Omar Trevino Morales oder von Servando Gomez Martinez alias "La Tuta", Boss der "Caballeros Templarios" (Tempelritter). Fix scheint, dass das so entstandene Machtvakuum die Bildung neuer Organisationen begünstigt hat.

"Schatten-CIA"

Einer Analyse des US-Informationsdienstes Stratfor zufolge, der auch schon einmal als "Schatten-CIA" bezeichnet wurde, operieren allein in der südwestlichen Region Tierra Caliente sieben Organisationen: das immer mächtiger werdende Kartell der "Jalisco Nueva Generacion", die Tempelritter, die Familia Michoacana, die Guerreros Unidos, Los Rojos, das "Independent Cartel of Acapulco" und Los Viagra. Stratfor machte darauf aufmerksam, dass vor allem die Konflikte zwischen den Tempelrittern und der "Jalisco Nueva Generacion" sowie zwischen den "Guerreros Unidos" und den "Rojos" zu den gewalttätigsten in ganz Mexiko geworden sind und 2015 sicher zu den größten Sicherheitsproblemen zählen.

In der nordöstlichen Region sind laut Stratfor die Zetas, das Golf-Kartell - Velazquez Network und Golf-Kartell-Gangs aktiv. Alle diese Gruppen sind aus dem einst mächtigen Golf-Kartell hervorgegangen. Vor allem "Los Zetas", die sich in den vergangenen Jahren als eines der gewalttätigsten Organisationen hervorgetan haben, haben nach der Verhaftung von Trevino Morales einiges an Boden verloren. In der wichtigen Sinaloa-Region mit den beiden Grenzübergängen Tijuana und Ciudad Juarez ist noch immer das gleichnamige Kartell das mächtigste. Daneben operieren die Beltran Leyva-Organisation, Los Mazatlecos und El Chapo Trini/El Cadete.

Schwer zu fassen

Bezüglich des Sinaloa-Kartells dürfte es für die Ermittlungsbehörden zurück an den Start heißen, falls Guzman nicht doch in den nächsten Tagen geschnappt würde. Davon geht aber kaum jemand aus: "El Chapo" gilt als der gewiefteste unter den mexikanischen Drogenpaten. Skrupellos und gewalttätig sind sie alle, aber Guzman hielt innerhalb seiner Organisation Ruhe und verbot seinen Verbindungsleute gewisse Geschäftspraktiken, die für böses Blut sorgten. Besser vernetzt als andere war er auch. Das dürfte sich auch bei seiner nunmehrigen, zweiten Flucht ausgezahlt haben. Im Kampf gegen das Sinaloa-Kartell dürfte die Flucht vor allem bewiesen haben, dass die mexikanischen Justizbehörden sich nur sehr bedingt aufeinander verlassen können.

Allgemein wird erwartet, dass Guzman die Zügel des Sinaloa-Kartells wieder in die Hand nimmt und allfällig verlorenes Terrain zurückholen will. Dass das ohne Blut abgeht, scheint kaum vorstellbar.