1. Wie sind Österreichs Geheimdienste überhaupt organisiert?

„Eigentlich haben wir keine Geheim-, sondern nur Nachrichtendienste. Denn Geheimdienste zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie auch auf eigene Faust in Geheimaktionen agieren“, sagt der Historiker und Geheimdienstexperte Siegfried Beer. Unsere Dienste seien eher Informationssammler und Analysten, da gebe es keine Spione und Agenten. Drei Dienste gebe es in der Alpenrepublik: das Heeresnachrichtenamt (HNA), das die militärische Lage nach außen gerichtet im Fokus hat, das Heeresabwehramt (HAA), das nach innen gerichtet agiert, aber auch schon zivile Bereiche - wie etwa die Cyberkriminalität - abdeckt, und das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), das nun im Mittelpunkt der politischen Diskussion steht. Die Aufteilung der Dienste auf mehrere Ämter und Ministerien sei sinnvoll und auch international üblich, sagt Beer. In den USA gebe es 17 unterschiedliche Nachrichten- und Geheimdiensteinheiten, die verschiedenen Ministerien unterstehen.

2. Welche Agenden hat das BVT genau über?

Die 309 Bediensteten des Verfassungsschutzes haben alle Bereiche der inneren Sicherheit abzudecken, „was für einen relativ kleinen Dienst schon fast eine Überforderung darstellt“, meint Beer: „Sie sind zuständig für Spionageabwehr, organisierte Kriminalität, Objekt- und Personenschutz, Extremismus und Terrorismus. Mit dem Syrienkonflikt und der Bedrohung des IS hat das BVT in den letzten Jahren am Limit gearbeitet. Wohl auch deshalb haben sich die Probleme dort aufgestaut“, vermutet der Experte.

3. Warum ist das BVT jetzt ins Kreuzfeuer geraten?

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen einige Beamte des BVT, unter ihnen auch BVT-Chef Gridling, wegen Datenmissbrauchs und wegen der Veruntreuung von Geldern, die eigentlich für Informanten vorgesehen waren. Auch die Weitergabe von nordkoreanischen Pässen, die in Österreich gedruckt wurden, an Südkorea wird untersucht. Im Rahmen dieser Ermittlungen suchte die WKStA um eine Hausdurchsuchung an, die richterlich genehmigt und am 28. Februar durchgeführt wurde und heftige Irritationen auslöst.

4. Was sind die konkreten Vorwürfe?

Bei der Hausdurchsuchung wurde die Staatsanwaltschaft von der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) begleitet, die schwer bewaffnet in Wohnungen und im BVT selbst eingefallen sein soll. Außerdem sei auch eine Datei mitgenommen worden, die mit der Sache nichts zu tun hat, sondern die Ermittlungsergebnisse über Rechtsextreme enthalte. Da EGS-Chef Wolfgang Preiszler freiheitlicher Gemeinderat und Polizeigewerkschafter ist, erweckte diese Kombination Verdacht. Die WKStA stellte gegenüber dem Justizministerium jedoch klar, dass die Beschlagnahme nicht die EGS, sondern die Staatsanwaltschaft selbst und ihre IT-Experten vorgenommen hätten. Ein Bericht, den Justizminister Josef Moser von der WKStA eingefordert hat, wird derzeit im Justizministerium geprüft. Heute will der Minister die Inhalte der Öffentlichkeit vorlegen.

5. Was steht hinter dem Streit um die Person des BVT-Chefs Gridling?

Die Opposition wirft Kickl vor, den Geheimdienst umfärben zu wollen, mit allen Mitteln. Peter Gridling wurde 2007 von Innenminister Günther Platter (ÖVP) eingesetzt. Sein Vertrag wäre am 20. März ausgelaufen. Da er aber nicht wie vorgesehen ein halbes Jahr vor diesem Termin (damals verhandelten ÖVP und FPÖ gerade ihr Regierungsprogramm) von seiner geplanten Nichtverlängerung informiert worden war, musste der Innenminister seinen Vertrag zwingend verlängern. Der Bundespräsident zeichnete die Verlängerung im Februar gegen, Innenminister Kickl überreichte Gridling die Urkunde aber vorerst nicht. Erst als dieses Faktum zu Wochenbeginn publik wurde, übergab Kickl am Dienstag die Ernennungsurkunde, suspendierte Gridling aber zugleich. Er habe keine andere Wahl gehabt, sagte der Minister, da Gridling „in der Zwischenzeit als Beschuldigter geführt wird“. Die interimistische Leitung des Hauses übergab Kickl Dominik Fasching, der die Abteilung für strategische Analyse im BVT leitet. Gridling könne jederzeit zurückkommen, sobald die Sache geklärt sei, betonte der Minister. Für ihn wie auch für andere Beschuldigte in der Causa, die suspendiert wurden, gelte natürlich die Unschuldsvermutung.

6. Was plant die Opposition?

Für kommenden Montag wurde eine Sondersitzung des Nationalrats einberufen. Neos und Liste Pilz haben darüber hinaus angekündigt, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss beantragen zu wollen. Die SPÖ will die Sondersitzung abwarten, ehe sie über einen U-Ausschuss entscheidet. Die Liste Pilz will außerdem einen Misstrauensantrag gegen Kickl stellen. Ob die SPÖ mitstimmt, ließ Parteichef Christian Kern offen. Er forderte Bundeskanzler Sebastian Kurz auf, „zu erklären, wie er sich vorstellt, zu einem handlungsfähigen Sicherheitsapparat zurückzukehren. Die österreichischen Geheimdienste werden diskreditiert“, sagte Kern. Es gebe auch einige Anhaltspunkte, dem Innenminister Amtsmissbrauch vorzuwerfen, formulierte Kern vorsichtig. Man wolle sich das nun „in Ruhe anschauen“.

7. Wieso ist die Causa BVT so brisant und wie sind unsere Dienste international vernetzt?

„Unsere Nachrichtendienste stehen immer noch in einer großen Abhängigkeit zu jenen in den USA, die auch durchaus noch so viel Einfluss haben, dass sie über politischen Druck unliebsame Leute bei unseren Diensten noch aus dem Geschäft nehmen können“, meint Historiker Beer: „Auch der deutsche Bundesnachrichtendienst, der ein echter Außengeheimdienst ist, hat nach wie vor eine große Bedeutung für die österreichischen Nachrichtendienste.“ Dort sehe man Österreichs Dienste ja fast noch wie eine Dependance, meint der Experte spitz: „Jedenfalls sah man es gerade in Deutschland sehr kritisch, dass nun alle drei Geheimdienste, die dem Heeres- und Innenministerium unterstehen, in FPÖ-Hand liegen.“ Die Unruhe im BVT gefährdet nicht nur dessen Funktionsfähigkeit, sondern auch das Vertrauen der Dienste anderer Länder.