Die Spitzenkandidatin der Grünen, Ulrike Lunacek, hat im Ö1-Interview ihre Leitlinien definiert. Die bisherige Vize-Präsidentin des Europaparlaments will im Wahlkampf das Thema Europa stärker betonen. Nicht nur zur Abgrenzung gegenüber den anderen Parteien, sondern auch um über das Konzept der "europäischen Heimat" zu diskutieren. Dahinter steckt das Bekenntnis von Lunacek zum Modell der Vereinigten Staaten von Europa: „Als Zukunftsvision fände ich eine Europäische Republik mit einem Zwei-Kammer-System sehr hilfreich, in der die Bürger mehr mitentscheiden können.“ Sie denkt dabei an einen Zeitrahmen von Mitte des nächsten Jahrzehnts. "Wir müssen uns dabei den Begriff Heimat wieder aneignen", betonte Lunacek. In Bezug auf die Türkei erklärte Lunacek, die Verhandlungen sollten auf Eis bleiben; falls die Todesstrafe eingeführt werden, sollten die Gespräche abgebrochen werden.

Die Spitzenkandidatin der Grünen wünscht sich eine Erneuerung und Verjüngung auf den Kandidatenlisten für die Nationalratswahl. Aufgrund der basisdemokratischen Regeln bei den Grünen könne sie da aber nichts verordnen oder durchsetzen, räumt Lunacek ein. Die Listen werden von der jeweiligen Landessammlung und vom Bundeskongress gewählt.

Ingrid Felipe, die designierte Bundessprecherin der Grünen, hat zuvor die Entscheidung einer grünen Doppelspitze in der ZiB24 verteidigt. "Die Herausforderung ist eine große", erklärte Felipe.  "Wir sind ein offensiver Gegenentwurf zu den politischen One-Man-Shows der anderen Parteien." Politik sei eine gemeinsame Aufgabe, so die Tiroler Landesrätin. Den Vorwurf,  die bisherige EU-Abgeordnete und EU-Parlaments-Vizepräsidentin Ulrike Lunacek, die als Spitzenkandidatin in die Wahl zieht, sei nur eine Platzhalterin, wies Felipe zurück. Madeleine Petrovic, ehemalige Parteichefin, bezeichnete die Doppelspitzen-Lösung als "sehr charmant" - immerhin gebe es bei den Grünen gleich zwei Frauen an der Spitze. Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle hält die Lösung für gelungen: Die Grünen könnten auf diese Weise mit Felipe ein neues Gesicht präsentieren und andererseits mit Lunacek einen erfahrenene Profi ins Rennen schicken."

Zuvor hatte Lunacek mit viel Selbstbewusstsein in der ZIB 2 betont: "Ich stehe für eine Politik, die sehr kantig sein kann, für die Einhaltung der Grundrechte, der Menschenrechte, für eine proeuropäische Politik, die soziale Gerechtigkeit, Umwelt- und Klimaschutz einfordert."

Ihr erklärtes Ziel sei, eine rot-blaue oder schwarz-blaue Regierung zu verhindern. "Und wenn wir das nicht verhindern können, dann werden wir eine ganz starke Opposition machen." Auch bei der schwarz-blauen Regierung unter Wolfgang Schüssel seien es die Grünen gewesen, die die Skandale aufgeklärt hätten, die jetzt noch in den U-Ausschüssen aufgearbeitet würden und die Staatsanwälte beschäftigten.

Angst davor, im Match zwischen Christian Kern, Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache zerrieben zu werden, habe sie keine. "Ich habe so viel Erfahrung wie keiner, ob es um Verhandlungen geht oder um das Ausüben einer Spitzenfunktion." Sie  sehe gute Chancen für sich, Dinge vorlegen zu können, die die Grünen zum Wahlerfolg führen. Immerhin: Bei den EU-Wahlen habe sie als Spitzenkandidatin ein Spitzenergebnis von 14,5 Prozent eingefahren, das beste, das die Grünen je hatten, "und da hat es auch vorher geheißen, das wird nicht gehen".

Zwei starke Frauen

Und ihr Verhältnis zu Ingrid Felipe, die die Parteiführung übernehmen soll? "Wir werden die Grünen gemeinsam gut aufstellen, ich werde die Medientermine wahrnehmen, und die Veranstaltungen. Das ist eine gute Lösung für jetzt. Es ist gut, dass Eva Glawischnig zwei starke Frauen  nachfolgen, die das können, wollen und schaffen.

Im Zweifelsfall werde bei Konflikten mitten im Wahlkampf sie entscheiden, aber "wir sind es als Grüne gewohnt, gemeinsam Entscheidungen zu treffen und nicht auf Konflikt zu gehen", sagte Lunacek.

Schauen, ob Kurz wirklich bereit ist

Im Verhältnis zu den anderen Parteien würden die Grünen auch jetzt, vor den Ferien, noch versuchen, inhaltlich Druck zu machen. "Zum Beispiel bei der Bildung, da braucht die Regierung die Grünen, und wir wollen die Modellregionen", so Lunacek. "Da schaue ich mir an, ob Sebastian Kurz tatsächlich bereit ist, die alten Zöpfe abzuschneiden".