Nach der Echo-Verleihung an die Rapper Kollegah und Farid Bang geben Dirigent Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle ihre Preise zurück. "Ein Preis, der Verkaufszahlen über alles stellt und am Holocaust-Gedenktag einem Live-Auftritt stattgibt, der einer Verhöhnung der Opfer des Dritten Reiches gleichkommt, wird zum Symbol eines Zynismus, für den wir nicht stehen", so das Orchester.

Chefdirigent Thielemann schließe sich der Haltung der Musiker an und gebe seinen Echo Klassik von 2004 zurück, hieß es in einer Erklärung des Orchesters. "Kunstfreiheit und das künstlerische Mittel der Provokation entbinden zu keiner Zeit von Verantwortung und den Regeln des guten Geschmacks", hieß es weiter. Das betreffe die Künstler, aber auch die Echo-Verleiher. "Die Sächsische Staatskapelle distanziert sich in aller Deutlichkeit von diesem Preis." Sie war für ihre Einspielung der 9. Sinfonie von Anton Bruckner mit Fabio Luisi 2009 damit ausgezeichnet worden.

Die beiden Rapper wurden vergangene Woche für ein als judenfeindlich kritisiertes Album mit dem Echo geehrt. Es enthält Textzeilen wie "Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen" und "Mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow".

Welle der Kritik

Die Auszeichnung löste eine Welle der Kritik aus. Bei der Gala war Sänger Campino (Die Toten Hosen) noch der einzige, der auf der Bühne anprangerte, dass eine Grenze überschritten worden sei. Später kündigten etliche Künstler an, ihre Trophäen zurückgeben zu wollen, darunter Marius Müller-Westernhagen, Peter Maffay, Grafiker Klaus
Voormann und Mariss Jansons, Chefdirigent des Symphonieorchesters
des Bayerischen Rundfunks. Auch ein Sponsor sprang ab.

Die Plattenfirma Bertelsmann Music Group (BMG) kündigte an, man lege die Zusammenarbeit mit Farid Bang und Kollegah auf Eis. Der Bundesverband Musikindustrie bezeichnete den Preis für das Rap-Album mittlerweile als Fehler und will die als kommerziell kritisierte Verleihung überarbeiten. Der Echo ist der wichtigste deutsche Musikpreis. Er wird nach Verkaufszahlen und Juryempfehlung vergeben.

Zunehmende Judenfeindlichkeit

Die deutsche Justizministerin Katarina Barley (SPD) beklagt eine zunehmende Judenfeindlichkeit in Deutschland. Das Bewusstsein, was
Antisemitismus in diesem Land angerichtet habe, sei lange sehr stark gewesen. "Aber wir müssen feststellen, dass Antisemitismus wieder salonfähig wird", sagte Barley den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Die Debatte um die Verleihung des Echo an Kollegah und Farid Bang oder Übergriffe wie zuletzt auf einen Kippa tragenden jungen Israeli in Berlin zeigten das mit erschreckender Deutlichkeit. "Es ist unsere große Aufgabe, dieser Entwicklung entgegenzutreten."